"Prüfen Sie Ihren Freund mit einem Wort", heißt es auf den Plakatwänden in der sibirischen Stadt Irkutsk.

Foto: Telegram, Иркутский блог

Cobra-Beamte stürmen eine Wohnung in Wien-Donaustadt. Sie nehmen einen 39-Jährigen fest, der in dringendem Verdacht steht; für den russischen Militärgeheimdienst GRU in Österreich spioniert zu haben. Solche Szenen spielen sich in ganz Europa ab. Im November landeten Hubschrauber der schwedischen Armee in einem Siedlungsgebiet in Stockholm. Das Ziel: Ein Ehepaar, das ebenfalls für den GRU spioniert haben soll. In Großbritannien geht der Inlandsgeheimdienst MI5 inzwischen davon aus, dass man 400 russische Spione identifizieren und ausweisen konnte.

Aber: Spionage funktioniert auch in die andere Richtung, und bereits im Vorfeld des russischen Angriffs auf die Ukraine dürften Spione der Ukraine in Russland aktiv geworden sein: Sie berichteten von betrunkenen Soldaten, die ihre Ausrüstung gegen Wodka eintauschten. Auch die immer wieder bekannt werdenden Sabotageakte an Treibstoffdepots, Bahnlinien und Nachschublinien der russischen Armee gehen höchstwahrscheinlich auf das Konto ukrainischer Spione. Jedenfalls scheinen die Machthaber in Russland die Gefahr mittlerweile als ernst einzuschätzen – und suchen nach Wegen, ukrainische Agenten zu enttarnen.

"Spione" sollen russische Ortsnamen aussprechen

Der Gouverneur der Oblast Irkutsk meint, eine eigene Methode gefunden zu haben, wie er die Feinde Russlands identifizieren will: mit schwer auszusprechenden Ortsnamen. In Irkutsk in Südsibirien wurden Plakatwände mit einem "Spionagetest" aufgestellt. "Prüfen Sie Ihren Freund mit einem Wort", heißt es da. Daneben befindet sich ein QR-Code, der zu einem Telegram-Channel führt.

Dieser wird von der Wohltätigkeitsorganisation des Gouverneurs von Irkutsk, Igor Kobzew, betrieben. Darin befindet sich eine Anleitung für die Möchtegern-James-Bonds dieser Welt. So soll das Gegenüber aufgefordert werden, russische Ortsnamen wie Syktywkar oder Baschkortostan korrekt auszusprechen. Gelingt das nicht, hat man einen ukrainischen Spion enttarnt und "die Faschisten gebrandmarkt", wie es in dem Kanal heißt.

Ob diese Methode mit der nötigen Treffsicherheit funktioniert, darf aber bezweifelt werden. In Ermangelung von ukrainischen Muttersprachlern in Irkutsk hat man laut eigenen Angaben auf ukrainische Fernsehsender zurückgegriffen, um besondere Eigenheiten in der Aussprache zu erkennen. Allzu erfolgreich dürfte die Aktion bislang nicht laufen: Der verlinkte Telegram-Kanal hatte Stand Mittwoch 129 Abonnenten. Erfolgsmeldungen über enttarnte Geheimdienstler gibt es keine.

Dennoch ist man bei den russischen Urhebern der Aktion überzeugt, dass man eine effektive Methode der Gegenspionage entwickelt hat: "Es ist interessant, wie leicht wir diese Worte selbst in unseren Köpfen aussprechen. Aber jene, die sich nicht mit der Geografie unseres Landes auskennen, verfehlen das Ziel sofort", heißt es da.

Meme als Ursprung

Die Aktion basiert auf einem Meme, das zu Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kursierte. Bei der großangelegten, aber letztendlich gescheiterten Invasion an mehreren Fronten war den Ukrainern nicht immer klar, ob es sich nun um russische oder ukrainische Soldaten handelt. Da machte schnell das Meme die Runde, dass russische Soldaten das ukrainische Wort paljanyzja nicht richtig aussprechen können und man so feindliche Kräfte erkennen kann. Bei paljanyzja handelt es sich um ein Brot, das traditionell in der Ukraine gebacken wird.

Married with Children

Westliche Beobachter dürfte diese Form der Gegenspionage weniger an ein Meme als an eine legendäre TV-Szene aus der Sitcom "Eine schrecklich nette Familie" erinnern, in der Hauptprotagonist Al Bundy seinen Nachbarn Jefferson als angeblichen russischen Spion enttarnen möchte. (pez, 21.12.2022)