Werner Kogler und Karl Nehammer huldigten am Mittwoch einander und ihrem bisherigen Tun.
Foto: Christian Fischer

Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler sind keine Männer der Superlative. Bisher zumindest. Schon in der ersten Rede, die Nehammer nach seinem Amtsantritt hielt, erklärte er sich zum "lernenden Kanzler". Nach etwas mehr als einem Jahr darf behauptet werden: Der blieb er auch. Im Kanzleramt wird das nicht als negativ erachtet – vielmehr gehört diese Darstellung Nehammers zur Strategie seit Tag eins. Nehammer sollte nach dem "Popstar" Sebastian Kurz "der Stahlarbeiter" sein. Diese Zuschreibungen hat sich Nehammers Kommunikationsteam selbst überlegt. Bloß: Der Plan ging nicht auf wie erhofft – die ÖVP rutschte in Umfragen Monat für Monat ab.

Sanfter Strategiewechsel

Den Grünen kam die Art und Weise, wie Nehammer agiert, hingegen mehr als entgegen. Unter Kurz litt der kleine Koalitionspartner an dessen Inszenierungswut. Immer musste alles "das Beste", "das meiste" und perfekt gelungen sein. Doch aus Sicht der Grünen waren viele koalitionäre Errungenschaften weniger perfekt gelungen als schlichtweg ein Kompromiss. Und so fanden mit Kogler und Nehammer zwei Politiker zueinander, die zwar inhaltlich einiges trennt, wie beide selbst gern betonen, die im Umgang mit Politik aber doch ähnlich ticken: Sie machen, hoffen das Beste und scheuen ständige Öffentlichkeit.

Aktuell ist aber ein sanfter Strategiewechsel erkennbar. Am Mittwoch stellten sich Nehammer und Kogler nach dem Ministerrat vor die versammelte Presse und hielten Ansprachen zum Jahresende. So vieles sei gelungen, priesen sie einander und die Koalition. Schließlich seien die Gasspeicher gefüllt, die Abhängigkeit von Russland reduziert und die kalte Progression abgeschafft worden. Fast jedes einzelne Projekt der Regierung wurde noch einmal erwähnt: Kindergartenmilliarde, Pflegemilliarde, die Teuerungshilfen. Neuigkeit gab es bei dem fast einstündigen Auftritt lediglich eine: Noch heuer soll das lange erwartete Energieeffizienzgesetz präsentiert werden. Details wurden nicht erläutert.

Darüber hinaus, das war bereits im Vorfeld bekannt geworden, wird die Regierung Anfang Jänner in Klausur gehen. Regierungsklausuren sind theoretisch Arbeitstreffen aller Ministerinnen und Minister mit Kanzler und Vizekanzler. In Wahrheit aber vor allem große Medientermine, bei denen sich die Regierung als arbeitsam präsentiert und mindestens ein neues Vorhaben vorstellt. Diesmal soll es um die schwarz-grünen Pläne für das gesamte Jahr 2023 gehen.

Regierung unter Zugzwang

All das zeigt: Die Regierung steht unter Zugzwang – und will jetzt versuchen, noch einmal in die Gänge zu kommen. Zuletzt waren mehrere Großprojekte ganz oder fast gescheitert. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat selbst zur Überraschung vieler Grüner die geplante Arbeitsmarktreform für fehlgeschlagen erklärt – er könne sich mit dem Koalitionspartner nicht einigen. Unerwähnt blieben bei dem Medientermin von Nehammer und Kogler auch das Klimaschutzgesetz sowie das Informationsfreiheitsgesetz. Beide Großvorhaben stehen im Regierungsprogramm, liegen aber auf Eis.

In der Regierung und vor allem im Kanzleramt hat sich inzwischen eine fast trotzige Sicht auf die Dinge eingestellt: Die Regierung arbeite gut und emsig, aber das werde nicht gesehen – nicht von den Medien, nicht in der Bevölkerung. Aufgegriffen werde vor allem alles, was nicht funktioniere. Die "Stimmung im Land" entspreche nicht der Faktenlage, erklärte Nehammer am Mittwoch. Österreich habe die zweithöchsten Pro-Kopf-Antiteuerungsmaßnahmen hinter Luxemburg umgesetzt. Das Land erlebe außerdem "Rekordbeschäftigung" und Wirtschaftswachstum, betonte der Kanzler. Es brauche "Zuversicht".

Neuauflage der Kurz-Kommunikation?

Die Medienoffensive der Regierung hat wohl mehrere Urheber. Nehammer und Kogler wollen verdeutlichen, dass sie gerne zusammenarbeiten – und zwar noch länger. Schließlich gibt es laufend Gerede, wie lange diese Regierung noch hält – oder besser gesagt: ob sie vor 2024 platzt. Nehammer sei Zeuge vieler Koalitionen gewesen, doch ein so vertrauensvolles Miteinander habe er noch nicht erlebt, lobte er das Klima.

Vermutlich spielt beim neuen Kommunikationsplan der Regierung aber auch eine Personalie eine Rolle: Nehammer hat kürzlich Gerald Fleischmann zum Kommunikationschef der Volkspartei gemacht. Fleischmann war einer der wichtigsten Strategen von Kurz. Unter Journalisten wird längst gemunkelt: Nun kehrt Stück für Stück eine neue Variante der Kurz-Kommunikation zurück. (Katharina Mittelstaedt, 22.12.2022)