ARD-Vorsitzender Tom Buhrow beim 25-Jahr-Jubiläum des ARD-eigenen Doku- und Eventkanals Phoenix. Auch Spartensender würden bei einer grundlegenden Reform des gebührenfinanzierten Rundfunks hinterfragt.

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Berlin – Tom Buhrow, Intendant des WDR und derzeit Vorsitzender der ARD, hat nach einer Reihe von Affären beim deutschen Gebührenfunk eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland angekündigt. Auch beim ORF stehen grundlegende Reformen an.

GIS, Sparen, Streaming: Entscheidungsbedarf beim ORF 2023

Auch beim ORF in Österreich müssen der Gesetzgeber und der ORF-General Roland Weißmann 2023 grundlegende Fragen klären:

  • GIS Der Gesetzgeber muss bis spätestens Ende 2023 die GIS-Gebühren neu regeln. Sie muss laut Verfassungsgerichtshof ab 2024 auch für Streaming eingehoben werden. Die Möglichkeiten: Haushaltsabgabe unabhängig vom Empfang wie in Deutschland, Budgetfinanzierung, wie sie die Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger zuletzt vorschlug, oder eine auf alle Streaminggeräte erweiterte GIS-Pflicht.
  • Sparen Der ORF-Chef hat vor wenigen Wochen vor "einer der größten Finanzkrisen" der ORF-Geschichte gewarnt. Nach seinen Prognosen würde der ORF ab 2024 tief ins Minus rutschen, wenn die Fehlbeträge aus GIS-Abmeldungen nicht ausgeglichen würden. Zugleich arbeitet der ORF nach STANDARD-Infos an massiven Sparmaßnahmen, um 70 bis 130 Millionen Euro drohendem Minus ab 2024 entgegenzuwirken. Am raschesten lässt sich das Auftragsvolumen kürzen – das trifft rasch die Produktionsbranche, Kultur, Kunst, Sport.
  • Streaming Der ORF drängt auf die Möglichkeit, Formate eigens für Streaming produzieren zu dürfen, wie etwa die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Parallel sind Einschränkungen des Textangebots online wie in Deutschland und anderen Ländern Thema.
  • ORF-Gremien Der Verfassungsgerichtshof prüft derzeit auf Antrag des Landes Burgenland, ob es zuviel Politeinfluss in den ORF-Gremien gibt. Eine Reform der Gremien ist bisher kein Thema für die ÖVP – die derzeit alleine eine Mehrheit im ORF-Stiftungsrat hat.

"2023 Jahr der Reform" im Deutschland

"2023 wird das Jahr der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", sagte Buhrow der "Welt am Sonntag". Und Buhrow erklärt:"Wer am Status quo festhält, gefährdet die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks." Nun gehe es um die Neuaufstellung von dem, was wichtig und wertvoll am ÖRR sei.

Prüfung aller Sendeformate und Strukturen

Buhrow kündigte eine genaue Prüfung aller Sendeformate und Strukturen des ÖRR an: "Ist jeder Produkttest, jeder Verbrauchertipp, jeder Klimabericht wirklich regionale Vielfalt? Oder kann man da auch einiges in Kompetenzzentren bündeln?"

Die ARD – die Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Deutschlands – ist ein Zusammenschluss von neun Landesrundfunkanstalten – der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (HR), der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), der Norddeutsche Rundfunk (NDR), Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk (SR), der Südwestrundfunk (SWR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und der RBB (Berlin-Brandenburg), dessen Intendantin Patricia Schlesinger im Sommer wegen des Vorwurfs von Vorteilsnahme abgesetzt wurde.

Rundfunkbeitrag begrenzen

Auch Buhrows frühere Anregung, ARD und ZDF gegebenenfalls zusammenzulegen, bleibe auf dem Tisch. "Wer vor allem den Beitrag begrenzen will, der muss auch an solche Tabufragen ran, muss diese zumindest diskutieren."

Beitrag meint hier den Rundfunkbeitrag – so heißt die Haushaltsabgabe für öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit 2013. Sie wird unabhängig vom tatsächlichen Empfang und von Empfangsgeräten eingehoben

"Überzeugt, dass wir etwas ganz Wertvolles machen"

Buhrow legte in der "Welt am Sonntag" zugleich ein Bekenntnis zum Fortbestand des ÖRR ab: "Ich werde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer verteidigen, weil ich überzeugt bin, dass wir etwas ganz Wertvolles machen." Das heiße aber nicht, dass er in dem heutigen Umfang erhalten bleiben soll, sagte er der Zeitung. (red, APA, AFP, 25.12.2022)