Überraschend sprachen sich die progressiven Richter im Obersten Justizrat Spaniens ausgerechnet für die von den Konservativen vorgeschlagene Neubesetzung des Verfassungsgerichts aus. Das Manöver war allerdings in ihrem eigenen Sinne erfolgreich: Da auch die linke Regierung zwei Posten vergeben kann, wurde so die konservative Sperrminorität gebrochen. Das spanische Verfassungsgericht hat künftig eine progressive Mehrheit.

Im spanischen Verfassungsgericht findet sich jetzt eine progressive Mehrheit.
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Der oppositionelle Partido Popular (PP) ist mit dem Plan, die konservative Mehrheit am Verfassungsgericht und an anderen hohen Gerichten bis zu den nächsten Parlamentswahlen hinüberzuretten, gescheitert. Hätte die Blockade bis 2023 funktioniert, wäre es an der neuen – dann möglicherweise wieder konservativen – Regierung gewesen, zwei Richterposten am Verfassungsgericht neu zu besetzen.

Die Konservativen wollen die Justiz auf keinen Fall aus der Hand geben: So könnten sie regulär auf dem parlamentarischen Weg zustande gekommene, allerdings ihnen missliebige Gesetze zu Fall bringen. Es ist zu hoffen, dass der PP nun, nach der Neubesetzung des Verfassungsgerichts, seine Blockadehaltung endlich aufgibt – diese schadet dem Ansehen der spanischen Justiz jeden Tag ein bisschen mehr.

Denn es gibt wenige Dinge, die eine Demokratie mehr gefährden als die Überzeugung, die Gerichte würden einer Partei dienen – und nicht der unabhängigen Gerechtigkeit. (Reiner Wandler, 28.12.2022)