Chitosan ist eine vielseitige Substanz, die antibakteriell wirkt und in der Medizin und auch zum Schutz von Pflanzen eingesetzt werden kann.
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Der Einsatz von umweltschonenden Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft ist wünschenswert: Chemische Pestizide zeichnen sich zwar durch geringe Kosten und ein breites Wirkungsspektrum aus, sind jedoch häufig toxisch. Biologische Pflanzenschutzmittel hingegen sind in der Regel unbedenklich – aber auch teurer. Da sie wirtsspezifisch wirken, also nur bestimmte Wirtsarten befallen, ist die Entwicklung von unterschiedlichen Wirkmitteln vonnöten.

Sabine Gruber ist Leiterin des universitätsübergreifenden Projekts Chitosan Metabolism, kurz ChisMeT, an der FH Campus Wien. Die Forschungsgruppe möchte den Erfolg von biologischen Pflanzenschutzmitteln durch die Erforschung von Biopolymeren vorantreiben. Weitere nationale Partner des vom FFG geförderten Projekts sind die Universität Innsbruck und der Wissenschaftsfonds FWF.

Chitosan als Schlüssel zum Erfolg

"Im Mittelpunkt unseres Projekts steht die Erforschung des Biopolymers Chitosan, das sich chemisch von Chitin ableitet. Chitin ist den meisten durch seine stützgebende Funktion in Krebstieren und Insekten ein Begriff", erklärt Gruber. Chitosan weise eine bakterizide und fungizide Wirkung auf, weshalb es besonders interessant für den Einsatz in der Landwirtschaft sei.

Die Verbindung kann bisher jedoch nur aus Chitin hergestellt werden, das zuvor aus den Schalen von Krustentieren gewonnen wird. "Das ist ein recht harscher und ökologisch bedenklicher Prozess. Für die Umwandlung von Chitin zu Chitosan werden Salzsäure, Natronlauge und Wasser benötigt", gibt Gruber zu bedenken. Außerdem sind bei diesem Verfahren Rückstände von tierischen Proteinen möglich, was allergisches Potenzial mit sich bringt. Das so hergestellte Chitosan ist somit für manche Zwecke, insbesondere im medizinischen Bereich, ungeeignet.

Pilze statt Krustentiere

Durch das neu entwickelte Verfahren der ChisMeT-Forschungsgruppe könnte die Extraktion aus Schalentieren jedoch bald der Vergangenheit angehören. Das begehrte Biopolymer soll künftig enzymatisch aus Pilzen gewonnen werden, denn Chitin findet man sowohl in Krustentieren als auch in den Zellwänden filamentöser Pilze – wenngleich in geringerer Dosis. Besonders praktisch: Ein kleiner Anteil des Chitins liegt sogar schon als Chitosan vor – und das auf völlig natürliche Weise.

"Die Pilze können das Chitin durch Enzyme in das gewünschte Produkt umwandeln. Somit liefern sie nicht nur das Ausgangsmaterial, sondern auch Enzyme, die eine Modifikation zu Chitosan ermöglichen", erklärt Gruber. Der Grund für diese Eigenschaft ist das parasitäre Verhalten der untersuchten Pilze.

Um Pflanzen vor Schädlingen und Pilzbefall zu schützen, könnten Wirkstoffe eines Pilzes zum Einsatz kommen.
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Die von Gruber verwendete Gattung Trichoderma zählt zu den mykoparasitären Arten. Als Bodenpilz und Parasit betreibt sie komplexe Mechanismen, um den Feind zu hemmen oder zu töten. "Die Fähigkeit, während des Parasitismus in Wirtsorganismen einzudringen, erfordert eine adaptive Neugestaltung der Zellwand, um die Erkennung durch den Wirt und seine Abwehrreaktionen zu verhindern. Dafür sind Polysaccharide wie Chitin und Glukan, aber auch Chitosan nötig."

Untersuchungen Grubers und ihres Teams legen nahe, dass die Umwandlung von Chitin in Chitosan als Abwehrstrategie dient, um dem oxidativen Stress – verursacht durch den Wirtspilz – entgegenzuwirken.

Verschiedene Strategien

Nicht alle Pilze parasitieren gleich. Um einen hochwirksamen Biokontrollstamm produzieren und verwenden zu können, muss der Pilz besonders durchsetzungsfähig sein. Zusätzlich sollte er eine hohe Reproduktionsrate aufweisen und für die Wirtspflanze und die Umwelt unbedenklich sein. "Da Bodenpilze wie Trichoderma ihr riesiges Netzwerk im Boden erweitern können, besitzen sie all diese Eigenschaften. Deshalb sind mykoparasitäre Arten für unsere Forschung so interessant."

Neben dem invasiven Befall sind die von Trichoderma produzierten Enzyme von besonderem Interesse. Sie ermöglichen es, andere Organismen und Pilze anzugreifen und deren Zellwand zu destabilisieren oder abzubauen. Ziel des aktuellen Projekts ist nun die Optimierung der Biokontrollstämme – also die Verbesserung von Prozessen, die beim Wachstum der Population A zur Verringerung der Population B führen.

Mit Technologie zur Klimawende

Gruber nennt die Entwicklung von nachhaltigen Produkten als Hauptziel ihrer Arbeit: "Natürlich kann jeder einen gewissen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Letztlich muss aber durch technologische Fortschritte eine Wende herbeigeführt werden." Dabei sei es vor allem wichtig, Entscheidungsträger von neuen Technologien zu überzeugen.

"Kleine Schritte sind nutzlos. Die Ziele müssen ambitioniert sein. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft. Nur so können nachhaltige Produkte auf den Markt kommen." Wenn es nach Gruber geht, sollten vor allem natürliche Ressourcen genutzt werden, um schonende Produkte auf den Markt zu bringen. Somit könnten chemische Pestizide durch biologische Produkte schrittweise ersetzt werden, zudem könnte der natürliche Schutzmechanismus von Pflanzen gestärkt werden. "Unser Forschungsprojekt liefert dafür die besten Voraussetzungen – wir haben noch viel vor." (Anna Tratter, 3.1.2023)