Der ertragreiche Anbau von Soja und die Ausdehnung der Viehhaltung sorgen für eine stetige Abholzung des Amazonas-Regenwaldes.

Foto: AFP / Douglas Magno

Rindfleisch und Soja gegen Autos und Chemikalien: Das ist bisher der Kern des Handelsabkommens, das die EU und die südamerikanischen Mercosur-Staaten seit rund zwanzig Jahren diskutieren. 2019 stand der Deal kurz vor einem Abschluss – bis Österreich sein Veto einlegte.

In einem zweiseitigen Schreiben erklärte Vizekanzler Werner Kogler damals, Österreich lehne das Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ab. "Wenn wir den Handel und das Wirtschaftswachstum weiterankurbeln, ohne Folgen für die Artenvielfalt und natürliche Ressourcen zu beachten, laufen wir in eine Klimakatastrophe", erklärte Kogler.

Jetzt, knapp vier Jahre später, wollen sowohl Schweden als auch Spanien, die in diesem Jahr nacheinander die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, einen neuen Anlauf starten. Schließlich hat sich die Welt verändert: Die EU sucht nach neuen Handelspartnern – unter anderem wegen der kritischen Rohstoffe für die Energiewende.

Brasilien will weiterverhandeln

Außerdem sitzt seit 1. Jänner ein neuer Vertragspartner mit am Tisch: In Brasilien hat Luiz Inácio Lula da Silva, kurz Lula, die Präsidentschaft übernommen. Ganz im Unterschied zu seinem Vorgänger Jair Bolsonaro, rückt Lula den Schutz des Amazonas ganz nach oben auf die Agenda.

"Wir haben jetzt eine Regierung, die sich verpflichtet, die Abholzung auf null zu reduzieren", erklärte dazu Brasiliens neue Umweltministerin Marina Silva im November gegenüber dem Standard. Sie ist bereits in einer früheren Amtszeit von Lula Ministerin gewesen, ist dann aber zurückgetreten, weil sie die Regierungslinie zum Ausbau von Wasserkraft, Biokraftstoffen und Gentechnik nicht mehr länger mittragen wollte.

Jetzt erklärt Silva, sie befürworte wie auch Lula die erneuten Verhandlungen mit der EU – jedoch werde Brasilien kein Risiko beim Schutz des Amazonas eingehen, betont die Politikerin, die selbst in dem Regenwald aufwuchs.

Vertrag mit Hebelwirkung?

Kann eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion aber tatsächlich gelingen, wenn nicht weiter abgeholzt wird? Und was, wenn das politische Klima in Brasilien wieder umschwingt?

Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) sieht in dem Abkommen eine Chance: Der Vertrag könne mit seinen Kapiteln zu Umweltschutz und sozialen Aspekten ein Hebel sein. "Sobald die wirtschaftlichen Vorteile klar sind, ist es für ein Land nicht mehr einfach, sich von hohen Standards zu verabschieden und damit die Exporte zu gefährden", argumentiert er

Der vorliegende Vertrag sei sehr umfassend, Umwelt und Klima werde Rechnung getragen, fasst Sinabell zusammen. Wichtig sei jedoch, dass die EU jene Gruppen unterstütze, die zu den Verlierern zählen würden, ergänzt der Ökonom – in der EU seien das vor allem Rindfleischbetriebe, die voraussichtlich harte Konkurrenz bekommen würden.

Auch in anderen landwirtschaftlichen Bereichen hätten die Mercosur-Staaten deutliche Vorteile, so Sinabell. Die EU könne hingegen mit ihrer Industrie punkten. Ein weiterer bedeutender Bereich seien erneuerbare Energien. Europäische Unternehmen könnten mit dem Vertrag einfacher in Mercosur-Staaten investieren, und der Handel mit kritischen Rohstoffen, wie etwa für Batterien, könnte hochgefahren werden.

Keine Sanktionsmechanismen

Adam Pawloff, Programmdirektor von Greenpeace in Österreich, warnt hingegen vor dem Abkommen. "Selbst wenn die Exportwaren tatsächlich nicht zur Entwaldung beitragen, gelten solche Regeln für den eigenen Verbrauch der Länder nicht", sagt er. Zudem sehe der Vertrag keine ausreichenden Sanktionsmechanismen vor, wenn die Produktion doch auf Kosten von Ökosystemen ausgedehnt werde.

Das betont auch die Anwältin Amandine Van den Berghe von der Organisation Client Earth: Der Vertrag könne ein starker Hebel sein, doch in der aktuellen Fassung würden die Instrumentarien dazu fehlen.

Kogler: Österreichs Ablehnung weiterhin aufrecht

Als aus Umweltsicht schlechtestes Szenario gilt aber, wenn eine Aufspaltung des Abkommens versucht würde. Damit würden einige Handelskapitel des Vertrags gesondert verabschiedet – ohne das umfassende Vertragswerk mit seinen Umwelt- und Sozialauflagen.

Diese Option stand in der EU im Raum, weil sie bloß eine qualifizierte Mehrheit statt die Einstimmigkeit der Staaten erfordern würde – und damit Österreichs Veto umgangen werden könnte.

Vor einem solchen Schritt warnt auch Kogler und betont gegenüber dem Standard, die Ablehnung Österreichs sei nach wie vor aufrecht. Landwirtschaftliche Produkte vom anderen Ende der Welt nach Europa zu importieren widerspreche dem notwendigen Klimaschutz wie der Versorgungssicherheit. (Alicia Prager, 4.1.2023)