Wenn die Inflationsanpassung reinflattert, sollte gelten: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

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Die Inflation treibt gerade recht ordentlich die Mieten in die Höhe, denn diese sind in der Regel an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Manche Mieterinnen und Mieter in Österreich haben deshalb im Jahr 2022 gleich dreimal eine neue Vorschreibung bekommen und zahlen jetzt monatlich um 100 oder 150 Euro mehr als noch vor einem Jahr.

Wer noch einen alten Kategorie-Mietvertrag hat, war zwar auch deshalb davon betroffen, weil es hier 2021 eben zu keiner Anhebung gekommen war, denn die erste der drei Anhebungen im Vorjahr hätte eigentlich ein Jahr früher stattfinden müssen. Die restlichen beiden Erhöhungen waren aber der hohen Inflation 2022 geschuldet.

Rufe nach Mietpreisdeckel werden lauter

In manchen Ländern wurden bereits Mietpreisdeckel eingezogen. Die SPÖ fordert einen solchen auch in Österreich, die Regierungsparteien sehen derzeit noch keinen Bedarf dafür. Doch der Druck wird unweigerlich steigen: Im April werden die Richtwerte empfindlich erhöht werden. Doch abseits der Hoffnungen auf politische Eingriffe: Was können Mieterinnen und Mieter nun tun?

Kontrolle ist besser

Zunächst sollte selbstverständlich gelten: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Also sollte jede neue Vorschreibung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden – wenn möglich, von Profis. Dazu ist es wichtig zu wissen, was im Mietvertrag vereinbart wurde.

Viele Mietverträge haben zwar eine jährliche Wertsicherungsklausel, die es also der Vermieterin und dem Vermieter erlaubt, die Miete einmal im Jahr um den Anstieg des Verbraucherpreisindex (VPI) anzuheben. Vor allem bei älteren Mietverträgen finden sich aber auch noch Klauseln, die bestimmte Schwellwerte nennen: Dann darf die Miete beispielsweise erst angehoben werden, sobald die Inflationsrate seit der letzten Anhebung eine Drei-Prozent-Schwelle übersprungen hat. Auch eine Fünf-Prozent-Schwelle ist durchaus üblich; für Mietverträge, die dem Kategoriemietensystem unterliegen, ist sie im Gesetz festgeschrieben (siehe unten).

Index ist nicht gleich Index

Ob die im Mietvertrag vereinbarte Klausel überhaupt rechtskonform ist, können Expertinnen und Experten von Mieterschutzorganisationen beurteilen. Hier passieren manchmal erstaunliche Dinge: Arbeiterkammer-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka berichtete im Oktober davon, dass er gerade ein Musterverfahren gegen einen Vermieter führt, der die Mieten im Mietvertrag an den Baukostenindex gekoppelt hat. Das Verfahren ist noch anhängig.

Rosifka rät Mieterinnen und Mietern, die gerade einen neuen Mietvertrag unterschreiben, auch genau darauf zu achten, was in Sachen Wertsicherung vereinbart wird – und nötigenfalls mit dem Vermieter zu verhandeln und etwa nur die halbe Inflation als jährliche Wertanpassung zu erlauben.

Verhandlungsspielraum für Mieter

Doch auch bei laufenden Verträgen kann durchaus mit der Vermieterseite verhandelt werden, wenn die Inflationsanpassung zu hoch ausfällt. Hier kommt vor allem in jenen Städten bzw. Gegenden, wo zuletzt sehr viel gebaut wurde, die Marktsituation den Mieterinnen und Mietern entgegen. Darauf wies kürzlich etwa auch der Immobilieninvestor und Makler Paul Zödi hin. In manchen Wiener Lagen, etwa in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt, aber auch in Graz seien in den vergangenen Jahren sehr viele Mietwohnungen entstanden, was zu einem Überangebot geführt hat.

Im aktuellen "Gewinn" rät Zödi Vermieterinnen und Vermietern deshalb Folgendes: "Bei guten Wohnungen in guten Gegenden wird man die Inflation weitergeben können. Bei der 60er-Jahre-Wohnung mit hohen Energiekosten und ohne Balkon wäre ich vorsichtig." Mieterinnen und Mieter könnten dann nämlich nach einer neuen, energiesparenden Wohnung Ausschau halten. "Da sollte man vorher schon einen Kompromiss finden, denn jeder Mieterwechsel ist mit Kosten verbunden."

Verhandlungsspielräume für Mieterinnen und Mieter sieht man auch bei s Real Immobilien; insbesondere eben auch in Graz, wo man für 2023 generell einen Rückgang der Mieten prophezeit.

Welches Mietrechtsregime gilt für mich?

Ganz generell ist es aber auch nicht schlecht, wenn man sich über das äußerst komplizierte österreichische Mietrecht informiert und darüber Bescheid weiß, welches Rechtsregime für einen gilt: Voll- oder Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG)? Kategoriesystem, Richtwertsystem, freie Mietenvereinbarung?

Herangezogen wird hierbei zum einen das Baujahr des Gebäudes, in dem sich die Wohnung befindet. Und zum anderen ist es auch wichtig zu wissen, wann genau man die Wohnung angemietet hat (jedenfalls wenn das schon länger her ist) – denn 1982 und 1994 gab es entscheidende Umstellungen beim heimischen Mietrecht.

Kategoriemieten ab 1982

Ist man schon 30 Jahre oder länger in der eigenen Mietwohnung, dann hat man höchstwahrscheinlich einen Mietvertrag, der dem Kategoriesystem unterliegt, das 1982 in Kraft trat. Hier wurden Wohnungen nach der Ausstattungsqualität in vier Kategorien eingeteilt, wobei die Kategorien B bis D im Lauf der Zeit eine immer geringere Rolle spielten, denn sehr viele Wohnungen entsprechen heutzutage der (besten) Kategorie A.

Bei den Kategoriemieten beträgt die obengenannte Schwelle, die eine Mietanhebung auslöst, dem Gesetz nach fünf Prozent. Früher waren es sogar zehn Prozent, doch mit dem dritten Wohnrechtsänderungsgesetz von 1994 wurde das geändert, seither kann die Miete rascher an die Inflation angepasst werden.

Wer noch einen Kategoriemietvertrag hat, zahlt üblicherweise (viel) weniger Miete als jemand mit einem neueren oder gar einem gerade abgeschlossenen Vertrag. Das stellt etwa die Statistik Austria Jahr für Jahr fest: Je älter der Mietvertrag ist, desto weniger Miete zahlt man. Doch ganz grundsätzlich waren auch in den 1980er-Jahren bei weitem nicht alle Mietverträge preisgedeckelt: Mit der Mietrechtsnovelle von 1985, die am 1. Jänner 1986 in Kraft trat, wurde ein "angemessener" Mietzins bei Neuabschlüssen in Kategorie-A-Wohnungen erlaubt; de facto also die (damalige) Marktmiete.

Richtwertmieten ab März 1994

Im März 1994 trat dann das Richtwertsystem in Kraft. Wer seither einen Mietvertrag für eine Wohnung in einem Altbau (errichtet vor dem Zweiten Weltkrieg) unterschrieben hat, unterliegt dem Richtwertsystem. Dort gibt es keine gesetzliche Schwelle, sondern die Inflationsanpassung findet laut Gesetz normalerweise alle zwei Jahre per Anfang April statt. Diese Anhebung wurde 2021 allerdings pandemiebedingt auf 2022 verschoben, deshalb wurden diese Mieten zuletzt im Mai 2022 um knapp sechs Prozent angehoben. Die nächste Anhebung steht bevor, sie wird im April/Mai 2023 stattfinden (ab April für neue, ab Mai für laufende Mietverträge) und wahrscheinlich mehr als acht Prozent ausmachen.

Beim Richtwertsystem gibt es einen bestimmten Richtwert als Basismiete, der gesetzlich festgelegt wird, allerdings pro Bundesland unterschiedlich ist. Das Burgenland hat den niedrigsten (5,61 Euro), Vorarlberg den höchsten (9,44 Euro), Wien hat den zweitniedrigsten (6,15 Euro). Dazu kommen noch diverse Zuschläge. Die derzeit noch gültigen Richtwerte wurden Ende März 2022 kundgemacht (siehe Artikel hier).

Frei verhandelbare Miete in Nachkriegsbauten

Für Wohnungen in Nachkriegsbauten, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Fördergelder errichtet wurden, gilt gar kein Preisdeckel, sondern die Miete kann hier frei vereinbart werden. Es handelt sich hier um den sogenannten Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, das heißt, hier ist u. a. das Richtwertgesetz nicht anzuwenden.

Wer eine Wohneinheit in einem Ein- oder Zweifamilienhaus bzw. in jedem anderen Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohneinheiten angemietet hat, fällt gar nicht unter das Mietrechtsgesetz, hier gilt nur das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. (Martin Putschögl, 9.1.2023)