Neue GIS, Millionen-Lücke, Landesstudios, Besetzungen, Programm: viele Baustellen für ORF-Chef Roland Weißmann.

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Am Donnerstag trifft ORF-General Roland Weißmann Medienministerin Susanne Raab (ÖVP). Sie hat ihm gerade öffentlich ausgerichtet, dass der ORF nicht einfach die Hand aufhalten könne, und Einsparungen eingemahnt.

Raab antwortete damit auf Weißmanns Prognose von 70 Millionen Euro Finanzierungslücke ab 2024, die sich bis 2026 auf 130 Millionen Euro auswachsen könne. Wenn die anstehende Neuregelung der GIS dem ORF nicht mehr als die 2022 eingenommenen 662 Millionen Euro und die für 2023 geplanten 676 Millionen bringt.

Weißmann hatte mit der Prognose angekündigt, dass der ORF sonst sein Angebot und den gesetzlichen Auftrag nicht mehr finanzieren könne. Das bedeutet: Kürzungen. Für Einsparungen des ORF sprachen sich zuletzt auch 76 Prozent in einer STANDARD-Umfrage aus.

Das ORF-Gesetz lässt Spielraum für Kürzungen beim ORF-Angebot. Einiges kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk "nach Maßgabe wirtschaftlicher Tragbarkeit" anbieten:

  • Rundfunkversorgung Drei (korrigiert) bundesweite Radiokanäle (Ö1, Ö3, FM4) und zwei nationale TV-Programme (derzeit vier) muss der ORF via Rundfunk empfangbar für möglichst alle anbieten.
  • Streaming live und zeitversetzt parallel zur Ausstrahlung kann der ORF laut geltendem Gesetz anbieten, wenn wirtschaftlich. Der ORF will künftig eigene Formate für Streaming produzieren dürfen.
  • ORF 3, Spartenkanal für Info und Kultur, macht das Gesetz von "wirtschaftlicher Tragbarkeit" abhängig. Aufwand: rund 24 Millionen Euro
  • ORF Sport Plus ist nur "nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit" vom Gesetz erlaubt. Aufwand: acht bis elf Millionen Euro pro Jahr.
  • ORF.at und weitere Onlineangebote des ORF stehen im gesetzlich definierten Rahmen ebenfalls unter der "Maßgabe wirtschaftlicher Tragbarkeit". Das Gesetz nennt Infos über ORF-Programme, tagesaktuelle Überblicksberichterstattung, sendungsbegleitende Inhalte und eine TVthek. Die per Gesetz limitierte Onlinewerbung trägt mit rund 20 Millionen Euro zur wirtschaftlichen Tragbarkeit bei.
  • Barrierefreiheit "jedenfalls" für Infosendungen steht im Gesetz auch unter der Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit.
  • Das RSO – Radio Symphonie Orchester des ORF wird im Gesetz nur einmal erwähnt: Sein Fortbestand war 2010 bis 2013 Bedingung der Republik für die befristete Abgeltung von Gebührenbefreiungen an den ORF. Diese sind mit 2013 ausgelaufen.*

Rasch realisierbare Einsparungen treffen im ORF gemeinhin Aufträge und damit Sport, Kultur und Produktionsbranche. Am Donnerstag sitzen ORF-Chef Weißmann und Medienministerin Raab, thematisch passend, bei einer Tagung der Produktionsbranche auf dem Podium.

In fünf Wochen, am 20. Februar, muss Weißmann seinen Stiftungsräten in einer Sondersitzung des Finanzausschusses erklären, wie er 2023 und vor allem 2024 über die Runden kommen will.

Heinz Lederer, Sprecher der SPÖ-nahen Stiftungsräte, munitioniert verbal bereits auf für den 20. Februar 2023. "Das wird das Jahr der Entscheidungen für die ORF-Führung", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD. "Wenn ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und sein Team keine fundierte finanzielle Ausstattung für den ORF schaffen, müssen sie einräumen: Wir sind gescheitert."

Heinz Lederer: "2023 wird das Jahr der Entscheidungen für die ORF-Führung."
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ÖVP und Grüne hätten sich das 2021 bestellte ORF-Direktorium detailliert ausgemacht – "aber die finanzielle Ausstattung nicht mitgedacht. Scheinbar ist es da nur um Personal und Posten gegangen und nicht um inhaltliche Weichenstellungen." Über das Wohl und Wehe des ORF entschieden seine digitalen Möglichkeiten, sagt Lederer. Um die geht es – neben der GIS-Zukunft – bei der anstehenden ORF-Novelle.

"Bis zum Finanzausschuss muss klar erkennbar sein, welche Richtung wir gehen", sagt der rote ORF-Rat. Dazu gehöre ein "realistisches Sparpaket", das sich nicht in Jobkürzungen erschöpfe. Lederer sieht Sparpotenzial in "Digitalisierungsschritten" etwa von ORF Sport Plus oder FM4 und in Kooperation mit Privaten. Weniger Landesstudios indes erteilt Lederer eine Abfuhr mit "härtestem Widerstand". Über Sparmaßnahmen entschieden Management und Stiftungsrat, kein "Spardiktat" der Medienministerin.

"Personelle Konsequenzen"

Im März müsse auch die künftige ORF-Finanzierung klar sein – um Streaming erweiterte GIS oder Haushaltsabgabe oder Budgetfinanzierung. Die Republik möge jedenfalls dem ORF Gebührenbefreiungen (60 Millionen pro Jahr) abgelten wie Telekomunternehmen.

Wenn Finanzierung und Sparpaket nicht im ersten Halbjahr gelingen, erwartet Lederer "personelle Konsequenzen, vorrangig im Direktorium". Doch wenn die neue GIS-Regelung nur noch 300 Millionen Euro im Jahr bringe, es "Massenentlassungen" und "Kahlschlag" gebe für Filmwirtschaft, Kultur, Wissenschaft, "dann stellt sich die Frage auch für den Generaldirektor", sagt Lederer. "Dort sind wir aber noch nicht und werden hoffentlich auch nicht so weit kommen." (Harald Fidler, 12.1.2023)