Sanktionen gibt es nicht. Liefert das Wiener Rathaus keine Informationen, bleibt erhofftes Brisantes vor der U-Kommission versperrt.

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Wien – Wien Energie und ihre Mutter, die Wiener Stadtwerke, bauen für die dritte Sitzung der Wien-Energie-Untersuchungskommission am Montag zu den Milliardenhilfen der Stadt für den städtischen Versorger vor. Die beiden im Eigentum der Stadt Wien stehenden Einheiten ließen die Sozietät Cerha Hempel Rechtsanwälte umfassende Begründungen ausarbeiten, warum die Organe von Wien Energie und Stadtwerke zu den Termingeschäften und deren gravierende Folgen in der Energiekrise im Sommer wenig beitragen werden können.

Das erschließt sich aus einem am 11. Jänner an den Vorsitzenden der Untersuchungskommission, Richter Martin Pühringer, gerichteten Brief, der dem STANDARD vorliegt. Argumentiert wird, vereinfacht ausgedrückt, so: Der Untersuchungsauftrag umfasse lediglich die Vollziehung der Gemeinde, nicht aber deren ausgegliederte Rechtsträger. "Privatrechtliche Tätigkeiten einer selbstständigen juristischen Person (wie der Wiener Stadtwerke GmbH und der Wien Energie GmbH) sind daher nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst", heißt es wörtlich. Die Anteilsverwaltung sei "ohne Bezug zur Gemeindeverwaltung" und umfasse nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Auch seien im Verfahren Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Privatunternehmen zu beachten. Aus diesem Grund dürften sich die geladenen Zeugen wie Stadtwerke-Generaldirektor Martin Krajcsir und dessen Stellvertreter Peter Weinelt ebenso wenig zu Finanzströmen äußern wie Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl.

Details zu Finanzströmen?

Detaillierte Auskünfte über Finanzströme, Termingeschäfte und andere Informationen im Zusammenhang mit der Schieflage, in die Wien Energie aufgrund notwendiger Absicherungen ("Margins") in Milliardenhöhe im Sommer geraten war, blieben die Auskunftspersonen somit schuldig. Zusammen mit diversen Unterlagen wie Revisionsberichten, die der Magistrat laut Angaben oppositioneller Kommissionsmitglieder ebenso wenig ausliefert wie Kalendereinträge und elektronische Kommunikationsdaten (Chats, SMS) des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, bliebe der Erkenntnisgewinn über die Nothilfe des Stadtoberhauptes wohl überschaubar.

Wesentliche Informationen

Der frühere Rechnungshofpräsident und Ehrenpräsident von Transparency International, Franz Fiedler, bezeichnet die Argumentation der Rechtsanwälte als "billig". Energieversorgung in Österreich sei von der öffentlichen Hand dominiert, daher sei diese auch nicht privat. "Da würde ja alles herausfallen, was nicht die unmittelbare Verwaltung betrifft", sagt Fiedler. Die wirtschaftlichen Abläufe, die zum massiven Zuschussbedarf durch Stadt und Bund führten, blieben damit hinter verschlossenen Türen.

"Alle wesentlichen Vorinformationen"

So argumentiert auch Universitätsprofessor Mathis Fister vom Institut für Verwaltungsrecht der Uni Linz. Wohl stellten interne Vorgänge innerhalb der Stadtwerke und Wien Energie keinen zulässigen Untersuchungsgegenstand im Sinne der Stadtverfassung dar. "Wenn jedoch – wie hier – die Verwaltungsführung durch den Bürgermeister und den amtsführenden Stadtrat in Bezug auf die genannten Gesellschaften zu untersuchen ist, bedingt diese Untersuchung zwangsläufig auch die Einbeziehung aller wesentlichen Vorinformationen", schreibt Fister in seiner gutachterlichen Stellungnahme im Auftrag der Wiener ÖVP. Ebendiese ermögliche ja erst die Beurteilung der Verwaltungsführung durch die Organe.

Untersuchungsresistent?

Alles andere würde darauf hinauslaufen, dass die Verwaltungsführung in Bezug auf Beteiligungen der Stadt einer abschließenden Untersuchung entzogen, gleichsam "untersuchungsresistent" gemacht würde. Das wäre mit dem Begriff einer untersuchungsfähigen "Verwaltungsführung" nicht in Einklang zu bringen, schreibt der Professor für öffentliches Recht an der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Verwaltungsführung umfasse schließlich nicht nur das Handeln, sondern auch das Unterlassen der genannten Organe. "Das Beweisverfahren darf (und muss) daher etwa die Frage einschließen, ob und inwieweit die Organe in bestimmte unternehmensbezogene Vorgänge und unternehmerischen Entscheidungen eingebunden waren oder eben nicht."

Zwangsmittel fehlen

Bleibt die Frage, wie dies durchgesetzt werden kann. Denn im Gegensatz zu U-Ausschüssen im Nationalrat gibt es in der Stadtverfassung keine oberste Instanz wie den Verfassungsgerichtshof, die ein Machtwort sprechen und Aktenanlieferung anordnen kann. Auch Zwangsmittel wurden bei der von SPÖ und Neos 2021 vorgenommenen Reform der Untersuchungskommission nicht eingebaut.

"Gefährlich für die SPÖ"

"Für die SPÖ ist es gefährlich, wenn sie sich hinter vordergründigen Argumenten verschanzt", sagt Fiedler zum STANDARD. Es bleibe dann an ihr hängen, dass die Aufklärung in der Causa Notkredite (zweimal 700 Millionen Euro per Notkompetenz des Bürgermeisters, Anm.) und das darüber hinaus notwendige Darlehen des Bundes vereitelt wurde.

Kein Aussageverweigerungsrecht

Im Übrigen hätten Zeugen im Bezug auf die Grenzen des Untersuchungsgegenstands kein Aussageverweigerungsrecht. Wohl könne der Vorsitzende der Kommission gemäß Stadtverfassung über den in der Ladung angeführten Gegenstand der Amtshandlung hinausgehende Fragen für unzulässig erklären, dem stehe aber kein (subjektives) Aussageverweigerungsrecht des Zeugen gegenüber. Schließlich obliege es nicht dem Zeugen, über die Grenzen des Untersuchungsgegenstands zu entscheiden.

Um Vertraulichkeit zu wahren, könne die U-Kommission die Öffentlichkeit allenfalls ausschließen, damit wären Betriebsgeheimnisse geschützt. Angesichts der umfangreichen unternehmensbezogenen Informationen, die im Wege von Geschäfts-, Finanz- und Rechnungshofberichten zugänglich seien, seien die Kriterien für Betriebs -und Geschäftsgeheimnisse ohnehin eingeschränkt, heißt es im Kurzgutachten

Verschleierung?

Der Klubobmann der ÖVP im Wiener Gemeinderat, Markus Wölbitsch, hält die wohl auf Anraten von SPÖ und Neos gewählte Vorgangsweise der Wiener Stadtwerke und ihrer Tochter Wien Energie für in negativer Hinsicht einzigartig: "Das ist alles andere als ein konstruktiver Beitrag zu einer umfassenden Aufklärung dieser Causa." Sowohl Weinelt als auch Strebl müssten sich den Fragen der Mandatare stellen. "Dieser gewaltige Skandal darf nicht weiter verschleiert werden." (Luise Ungerboeck, 14.1.2023)