Nicht nur bei der Energie, auch bei Nahrungsmitteln kam es im Jahresverlauf 2022 zu empfindlichen Verteuerungen.

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Die Inflation ist im Gesamtjahr 2022 auf 8,6 Prozent hochgeschossen und hat damit den höchsten Wert seit 1974 erreicht. Das gab die Statistik Austria am Montag bekannt. Im Jahr zuvor war der Preisauftrieb noch bei vergleichsweise bescheidenen 2,8 Prozent gelegen. "Damit hat sich die Inflationsrate gegenüber 2021 mehr als verdreifacht und ist auf den höchsten Wert seit der ersten Ölpreiskrise geklettert", sagt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas.

Maßgeblich verantwortlich für die stärkste Teuerungswelle seit fast fünf Jahrzehnten war der enorme Anstieg der Energiepreise nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Nach und nach verschob sich im Jahresverlauf der Schwerpunkt des Preisauftriebs auf andere Warengruppen wie Lebensmittel. In diesem Bereich legten die Verkaufspreise immer stärker zu und schwächten sich bis Jahresende nicht ab. Besonders davon betroffen waren Grundnahrungsmittel wie Brot, Getreide, Fleisch, Käse, Milch und Eier.

Steigende Kerninflation

Aber bei auch langlebigen Gütern und Dienstleistungen legte die Teuerung sukzessive zu. Die Folge ist, dass zum Jahresende die sogenannte Kerninflation, bei der die generell stark schwankenden Preise für Energie und Nahrung ausgeklammert sind und auf die Notenbanken bei ihren Zinsentscheidungen besonders achten, weiter auf 7,8 Prozent im Dezember zulegte. "Das spricht dafür, dass wir es noch länger mit hohen Inflationsraten zu tun haben werden", erklärt Thomas.

Wie hoch voraussichtlich? "Wir machen keine Inflationsprognosen, weil es nicht zu unseren Aufgaben gehört", erklärt der Statistik-Chef. Er verweist aber auf eine Schätzung der Österreichischen Nationalbank, wonach der Preisauftrieb im Gesamtjahr 2023 immer noch bei stattlichen 6,5 Prozent liegen soll. Zum Vergleich: Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt bei bloß zwei Prozent pro Jahr.

Auch das Wifo geht für heuer von 6,5 Prozent Jahresinflation in Österreich aus. Wobei Ökonom Josef Baumgartner wegen der zuletzt deutlich gesunkenen Großhandelspreise für Strom und Gas das Risiko für Abweichungen für 2023 eher auf der Unterseite sieht. Zu der hohen Kerninflation meint er: "Das sind die Überwälzungseffekte der hohen Energiepreise im Vorjahr. Im laufenden Jahr werden diese Effekte vor allem von den Lohnkosten stammen." Sprich: Heuer sollten die Lohnerhöhungen wesentlich üppiger ausfallen als 2022, wodurch die immer noch hohe Inflation für Arbeitnehmende leichter zu stemmen sein sollte.

Sukzessive angestiegen

Die Inflationswelle baute sich in der ersten Jahreshälfte 2022, bei fünf Prozent im Jänner beginnend, sukzessive auf und erreichte im Oktober ihren vorläufigen Höhepunkt bei genau elf Prozent, dem höchsten Wert seit 70 Jahren, bevor sie sich wieder etwas abflachte. Im Dezember, als die Strompreisbremse der Regierung erstmals wirksam wurde, war der Preisauftrieb mit 10,2 Prozent auf Jahressicht immer noch zweistellig.

Zwar haben die Energiepreise am Weltmarkt seit dem Höhepunkt im Sommer wieder deutlich nachgegeben, zuletzt reichten aber die Versorger zeitverzögert noch die vorangegangenen Preissteigerungen an die Haushalte weiter. Was zu eigenartigen Entwicklungen führen kann: Der Verbund kündigte am Montag Preiserhöhungen für Bestandskunden an, will aber gleichzeitig im Neugeschäft günstiger werden. Trotzdem liegen die Preise für Neukunden noch immer über jenen der Kundschaft mit älteren Verträgen.

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Strompreisbremse greift

Wie sich die Strompreisbremse ausgewirkt hat, erklärt Thomas so: Im November, dem letzten Monat vor Inkrafttreten der Maßnahme, trugen die Strompreise noch mit einem Anstieg um 0,4 Prozentpunkte zur Gesamtinflation bei. Im Dezember drehte der Effekt wegen der Preisbremse, sodass elektrische Energie die Teuerung um 0,2 Prozentpunkte verringerte. "Hier hat unter anderem die Strompreisbremse gewirkt", sagt der Statistik-Austria-Chef.

Insgesamt erwartet Wifo-Experte Baumgartner, dass die volle Wirkung der Strompreisbremse und des niederösterreichischen Strompreisrabatts den Preisauftrieb in Österreich um etwa einen Prozentpunkt dämpfen. Dazu kommt wegen der aktuell tiefen Großhandelspreise, dass sich kleiner Versorger wieder vermehrt mit günstigen Angeboten an den Markt wagen könnten, also wieder mehr Wettbewerb herrschen wird.

Um die Auswirkungen der enormen Teuerung abzufedern, hat die Regierung finanzielle Entlastungspakete für Haushalte geschnürt. Verbraucher spüren die hohe Inflation nicht nur im täglichen Konsum, auch andere Kostenfaktoren wie Mieten können an die Entwicklung der Verbraucherpreise gekoppelt sein. Zudem steht die EZB seit Juli auf der geldpolitischen Bremse und hat den Leitzins rasch von null auf nunmehr 2,5 Prozent erhöht, was bereits bei variabel und neu vergebenen fix verzinsten Krediten zu empfindlichen Verteuerungen geführt hat. Am 2. Februar wird die EZB die Zinsen voraussichtlich ein weiteres Mal anheben.

Statistik-Austria-Chef Thomas zufolge dauert es etwa zehn bis zwölf Monate, bis eine Straffung der Geldpolitik ihre inflationsdämpfende Wirkung entfaltet. Mit kleinen Ausnahmen, da die Zinserhöhungen der EZB den Kursverfall des Euro gegenüber dem Dollar nicht nur gestoppt, sondern sogar umgekehrt hat: Ungefähr zehn Prozent konnte der Euro seit dem Tief im September zulegen, was Importe aus dem Dollarraum günstiger macht. Etwa bei dem in Dollar abgerechneten Ölpreis werden Preisveränderungen auch relativ zeitnah an die Zapfsäulen weitergereicht (Alexander Hahn, 16.1.2023)