2021 wurde der neue Rekordhalter in der Region um Oslo entdeckt.
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Er soll der älteste seiner Art sein: Der Steinblock, der in Norwegen entdeckt wurde und eingeritzte Runen zeigt, hat beinahe 2.000 Jahre überstanden und ist damit der älteste Runenstein der Welt, wie das Kulturhistorische Museum in Oslo am Dienstag mitteilte. Der beschriftete rötlich-braune Sandstein sei mehrere Hundert Jahre älter als bisher bekannte Runensteine.

Gefunden wurde das bedeutende historische Objekt in einem Gräberfeld, das im Herbst 2021 freigelegt wurde. Dies befindet sich bei der Ortschaft Hole in der Nähe des Sees Tyrifjord nordwestlich von Oslo. Bezeichnet wird das Objekt als "Svingerudsteinen".

Erstes bis drittes Jahrhundert

Knochen- und Holzreste, die in einem Grab neben dem Stein gefunden wurden, gaben durch Radiokarbon-Untersuchungen Aufschluss über das Alter der Einritzungen. Demzufolge wurden die Runen im Zeitraum von 1 bis 250 nach unserer Zeitrechnung in den Stein geritzt, der 31 mal 32 Zentimeter misst.

Die Entdeckung ist der Expertin Kristel Zilmer von der Universität Oslo zufolge "der Traum aller Runologen". Der Fund liefert eine neue Antwort auf die Frage, seit wann Runen genutzt wurden und wann man erstmals Runensteine herstellte. Er zählt zu den frühesten Zeugnissen von Schriftsprache in Skandinavien, in Norwegen handelt es sich um die älteste bekannte Schrift. Vor 1.000 Jahren, am Ende der Wikingerzeit, war das Schreiben in diesen germanischen Schriftzeichen in Nordeuropa üblich, bis ins 15. Jahrhundert nutzte man die Schrift.

Acht Runen sind neben anderen Einkerbungen erkennbar und lauten: "Idiberug".
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Verstorbene gewürdigt

Runensteine sind mit Inschriften versehene Steine, die meist auf Gräbern aufgestellt wurden und von denen es mehrere Tausende gibt – vor allem aus der Wikingerzeit. Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, umso seltener werden die Runensteinfunde. Das Runen-Abc wird als Futhark bezeichnet, abgeleitet von den ersten sechs Buchstaben des Alphabets, F-U-Þ-A-R-K oder ᚠᚢᚦᚨᚱᚲ.

Auf dem Stein von Tyrifjord ist die Inschrift "Idiberug" zu lesen, die vermutlich die in dem Grab beigesetzte verstorbene Person würdigen sollte. Ob es sich um den Namen handelt, ist allerdings nicht klar – Schreibweisen und Sprache änderten sich im Laufe der Jahrhunderte stark. Das Forschungsteam vermutet, dass die Schrift "Für Idibera" bedeuten könnte, wobei Idibera der Name der verstorbenen Frau wäre. Womöglich bezeichnet der Begriff aber auch den Familiennamen Idiberung oder Vornamen wie Idibergu oder Idiberga, sagt Zilmer.

Auch sei möglich, dass jemand den Stein nutzte, um das Runenschnitzen zu lernen oder zu üben. Darauf deuten der Runenforscherin zufolge jedenfalls weitere Linien auf dem "Svingerudsteinen" hin. Diese zeigen mitunter Karo- und Zickzackmuster.

Das Forschungsteam untersucht den ältesten Runenstein.
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Bisher galten in Norwegen und Schweden gefundene Steine aus den Jahren 300 bis 400 nach Christus als die ältesten Runensteine, wie Zilmer der norwegischen Nachrichtenagentur NTB sagte. Der Fund am Tyrifjord sei daher eine "einzigartige Entdeckung". Ausgestellt wird der sensationelle Fund ebenfalls im Kulturhistorischen Museum Oslo, vom 21. Jänner bis zum 26. Februar.

Auch der Fundkontext dürfte mehr über den Stein verraten, der nicht an der Oberfläche entdeckt wurde, sondern unter der Erde. Es handelte sich ansonsten um ein relativ einfaches Grab mit eingeäscherten menschlichen Knochen. Bei der bestatteten Person handelte es sich um einen Erwachsenen, abgesehen von den Namensindizien lässt sich bisher allerdings nicht auf das Geschlecht schließen. (sic, APA, 17.1.2023)