Ali, Kenan und Mustafa sind zehn Jahre alt und beste Freunde. Sie gehen mit ihrer Lesepatin Döner essen und antworten auf die Frage, was sie einmal werden wollen, unisono: Fußballer. "Und die Hälfte vom Geld, das wir da verdienen, spenden wir für arme Leute", fügen sie hinzu.

Alle Buben bewundern Messi und Co. Aber für Migrantenkinder kommt darüber hinaus hinzu, dass Fußballer so ziemlich der einzige Beruf ist, der für den Ausübenden uneingeschränkte Akzeptanz und Wertschätzung in der Gesellschaft mit sich bringt ("unser David Alaba"). Alle andern müssen unter dem latenten Generalverdacht leben, nicht "richtig" integriert (ist gleich assimiliert) zu sein. "Das Herz ist woanders", sagt die ÖVP-Integrationsministerin. Von "Messerstechern und Vergewaltigern" spricht der FPÖ-Generalsekretär. Insgesamt: für immer Bürger zweiter Klasse.

Die SPÖ erweckt den Eindruck, ständig und erfolglos auf der Suche nach einer großen Idee zu sein.
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Hier wäre ein Thema für die SPÖ, die den Eindruck erweckt, ständig und erfolglos auf der Suche nach einer großen Idee zu sein. Geld für Entlastungen der Bürger ausgeben wie die Regierung? Ja, aber mehr und treffsicherer. Wirkungsvollere Asylbestimmungen fordern wie die FPÖ? Ja, aber nicht ganz so gemein. Themenführerschaft sieht anders aus. Bruno Kreisky holte einst absolute Mehrheiten mit seinem Projekt, in Österreich eine moderne, weltoffene Gesellschaft zu schaffen, die allen gleiche Chancen bietet, inklusive der Arbeiter. Das war nicht nur für diese Letzteren attraktiv, sondern auch für viele bürgerliche Wähler, für die soziale Gerechtigkeit einen Wert darstellte.

Hintertreffen

"Ein Stück des Weges mit uns gemeinsam gehen", lautete damals die Formel. Für seine Nachfolger wäre die logische Fortsetzung dieses Weges das entschlossene und nicht nur halbherzige Hereinholen der Zuwanderer in das kollektive "Wir" der österreichischen Bürgergesellschaft.

Derzeit scheint es unter dem Eindruck gestiegener Flüchtlingszahlen einen Trend gegen Asylwerber und Migranten zu geben. Ihm verdankt die FPÖ ihren ersten Platz in den Umfragen. Im verzweifelten Bemühen, hier nicht ganz ins Hintertreffen zu geraten, versuchen manche in der ÖVP und der SPÖ auf diesen Zug aufzuspringen. Viel Erfolg verspricht das nicht. Die Antiausländerkeule schwingen kann keiner so gut wie Herbert Kickl.

Dass Messerstecher und Vergewaltiger vor Gericht gehören, ist unbestritten. Aber in letzter Zeit sieht es immer mehr so aus, als seien die hunderttausenden Zuwanderer, die seit Jahr und Tag hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und sich nichts zuschulden kommen lassen, in der allgemeinen Atmosphäre des Misstrauens irgendwie mitgemeint.

In den USA wurde Barack Obama, Sohn eines Afrikaners, Präsident. In Großbritannien ist der indischstämmige Rishi Sunak Premierminister. Undenkbar in Österreich.

Die große Oppositionspartei SPÖ hätte es in der Hand, hier eine Klimaänderung einzuleiten. Sodass eines Tages Ali und seine Freunde auf die Frage: "Was willst du werden?" ganz unbefangen antworten könnten: Bundespräsident. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 19.1.2023)