So einig sind ÖVP, Grüne und FPÖ selten. "Höhere Strafen bei digitalem Kindesmissbrauch" fordert nicht nur die blaue Oppositionspartei, auch die Koalition tritt dafür ein und will bald ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Damit gibt sie einem Reflex nach, der immer dann aktiviert wird, wenn etwas Schlimmes passiert: Sperrt die Täter ein, möglichst lange, dann wird alles gut – selbst wenn Expertinnen und Experten die Wirksamkeit solcher Maßnahmen bezweifeln.

Aktuell hält der Fall Teichtmeister für politischen Aktionismus her. Die Öffentlichkeit ist zu Recht aufgewühlt, und wie immer können es einige in der Politik nicht lassen, auf dieser Welle der Empörung zu surfen. Lautstark wird betont, dass es um die vielen, vielen Opfer gehe und man jetzt, aber jetzt wirklich, endlich handeln müsse. Die Frage ist freilich: Was genau haben die Opfer davon?

Verbrechen im Darknet sind ein internationales Problem.
Foto: imago/allOver-MEV

Ginge es um die Millionen Opfer von Kindesmissbrauch, diese Kinder und Jugendlichen, hätten Kinderrechte in diesem Land einen anderen Stellenwert. Dann würde etwa über unbegleitete minderjährige Geflüchtete anders gesprochen. Gerade aus dieser Personengruppe verschwinden jährlich tausende Kinder, niemand weiß, wo sie sind. Die wenigsten machen sich die Mühe, sie aufzuspüren und aus mafiösen Verhältnissen zu befreien, in denen Versklavung und Missbrauch an der Tagesordnung sind.

Ginge es um diese Kinder und Jugendlichen, umfasste die Taskforce für digitale Kindesmissbrauchsdarstellungen im Innenministerium nicht nur sechs Ermittlerinnen und Ermittler; sie wäre personell deutlich stärker aufgestellt.

Ginge es tatsächlich um den Schutz und das Wohl dieser Kinder, hätte man bereits auf all jene Expertinnen und Experten gehört, die seit Jahren fordern, ein umfassendes Maßnahmenpaket zu schnüren, um wirksameren Schutz vor Missbrauch zu bieten: Opferschutz, Prävention, Aufklärung müssen systematisch aufgesetzt werden. An Schulen, in Horten und Kindergärten müssen schon die Kleinsten in ihrem Recht auf Unversehrtheit und auf das eigene Bild bestärkt werden. Pädagogen aller Bildungsstufen müssen einen noch sensibleren Blick darauf entwickeln, ob es Kindern in Familien gut ergeht oder ob man besser nachfragt und nachforscht.

Internationales Problem

Die zuständige Familienministerin Susanne Raab fordert nun zwar höhere Strafen – allerdings hat es viel zu lange gedauert, bis sie überhaupt auf den jetzigen, so prominenten Missbrauchsfall reagierte. Sie hätte schon davor tätig werden können – und auch müssen, in enger Kooperation mit dem Innenminister.

Verbrechen im Darknet sind ein internationales Problem, hier sind Vernetzung und spezielle Ermittlungsmethoden vonnöten. Diese Methoden hätte die Regierung den Behörden längst in die Hand geben können – in einem überlegten Gesetzgebungsprozess, ohne Aktionismus nach einem "Promi"-Kriminalfall. Dafür bräuchte es auch keine höheren Strafen, nur den Willen, hier tatsächlich mehr zu tun.

Die Zahl der Anzeigen in Fällen von digitalen Kindesmissbrauchsdarstellungen ist so hoch wie nie. Das ist keine schlechte Nachricht, im Gegenteil. Es zeigt, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung vorhanden ist, dass hier mehr geschehen muss. Es ist an der Zeit, dass der Politik mehr einfällt als höhere Strafen. (Petra Stuiber, 19.1.2023)