Christian Dolezal trägt im Rabenhof sein Herz in der Brust und auf der Zunge. Wenn es allzu intim oder gewagt wird, schaltet er das Bühnenlicht kurz aus.

Foto: Pertramer/Rabenhof

Geordnete Verhältnisse sind etwas Schönes. Angenehm und übersichtlich. Sie geben deshalb erzähltechnisch aber auch wenig her. Ob meine, deine, unsere Kinder oder geheime Affären: Da steckt der Stoff, der mitreißt. Oder eben in enttäuschten Lieben. Solche hat auch Christian Dolezal, namentlich die "nervenaufreibend intelligente" Ex Luisa. Sie mochte an ihm seine "absonderlichen Begabungen" wie Klospülungen nachmachen, ihn nervte an ihr, dass sie komplexe Netflix-Serien immer so schnell durchschaut hat. Oder aggressiv geworden ist, wenn er sie akustisch nicht verstanden hat. Er sei eine "Ladestation" für ihre Aggression gewesen. Nun ist Schluss, es ist aber nichts Besseres nachgekommen.

Nur eine "extrem coole" Berlinerin, die er auf Instagram (!) kennengelernt hat, weil sie ein Selfie von ihm gelikt hat, das Luisa einst blöd fand. "Erotisch raffgierig" oder doch verliebt fliegt er also nach Berlin, um allzeit gestellt zu sein, sollte sie ihn treffen wollen. Diese Euphorie ist eher einseitig. Unter dem gut österreichischen und sehr poetischen Titel Herzensschlampereien (Regie: Paul Harather) erzählt Dolezal das.

Es ist sein erstes Solo. Wegen Corona mehrmals verschoben hatte es am Donnerstag im Rabenhof Premiere. Man kennt Christian Dolezal (51) als Schauspieler auf diversen Wiener Bühnen und Intendant des Theatersommers Haag, aus TV-Serien wie Winzerkönig und Schlawiner oder als Gitarrist der Sofasurfers. Im Kabarett ist er neu. 2021 probierte er sich mit Christoph Grissemann und Buh! an einem Erzählprogramm.

Mittelalt mit Ohrhaaren

Man muss sagen, die Kleinkunst steht ihm gut! Ob das nun alles wirklich passiert ist, wie er beteuert? Egal. Herzensschlampereien ist 90 Minuten lang hochsympathisch. Dolezal gibt den zerknautschten Typ mittleren Alters, dessen Scherze zuallererst auf seine eigenen Kosten gehen. Mit dem Alter kommende Ohrhaare, die beim Einschlafen am Polster kratzen, gehören dazu.

Weinkenner? Sind für ihn nichts weiter als Alkoholiker. Er ist ein Connaisseur von Pommes und allem voran Eis. Jolly? "Eine weltweit seit Jahrzehnten erfolgreiche Rezeptur des Triumphs", in der arktischer Gletscher auf Costa Rica trifft! Nicht mag er dagegen Kirschgeschmack. Wie Eis zu Herzensangelegenheiten passt? Luisa hat ihn mit Eisentzug gestraft oder für guten Sex belohnt.

Wobei ihn der Sex inzwischen etwas bedrückt: mit seinem Performancedruck und den "flachen Höhepunkten". So prägnante Formulierungen durchziehen das Programm, das immer wieder an denselben Akteuren vorbeikommt. Dazu gehören eine "Pferdefrau", die ihn unbedingt ihrem Ross vorstellen will, sowie ein Freund, der sich abendlich Prostituierte bestellt, um den Kopf an ihren Busen zu legen: Dolezal wird Zeuge unerwarteter Romantik.

Nur Bioladenkundschaft ("unglückliche, ausgezehrte Chiasameng’sichter") wird mit dem Programm womöglich keine Freude haben. Man kann Dolezal aber kaum böse sein, so unprätentiös stellt und beantwortet er sich Fragen wie: Warum erregt ihn der Besuch beim Bipa so? Oder: Als die Luisa zweimal gekommen ist, war das da, als sie zweimal so verzwickt geschaut hat? (Michael Wurmitzer, 20.1.2023)