Pass-egal-Wahl in Baden bei Wien. Insgesamt konnte in Niederösterreich in neun Orten gewählt werden.

Foto: Zusammenhalt NÖ

Die erste Pass-egal-Wahl in Niederösterreich, in deren Rahmen Menschen mit und ohne österreichische Staatsbürgerschaft ihre Stimme für die fünf landesweit kandidierenden Parteien abgeben konnten, ist ziemlich anders ausgegangen, als es Umfragen für den tatsächlichen Urnengang am kommenden Sonntag vorhersagen.

42 Prozent der Nichtösterreicherinnen und -österreicher, die an der Aktion teilnahmen, stimmten für die Grünen, 25 Prozent für die SPÖ, 14 Prozent für ÖVP und Neos, vier Prozent für die FPÖ. Vorhersagen für den Sonntag sehen die ÖVP bei rund 40, FPÖ und SPÖ bei rund 25, Neos und Grüne bei weniger als zehn Prozent.

Wählerinnen und Wähler aus 36 Ländern

Insgesamt 523 Menschen mit Pässen aus 36 Ländern hatten sich an der von der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch organisierten, von ehrenamtlichen Aktivistinnen und Aktivisten durchgeführten Pass-egal-Wahl in Niederösterreich beteiligt. Die meisten von ihnen, rund 300, waren österreichische Staatsbürger, die – so eine Aussendung von SOS Mitmensch – "ihre Solidarität mit Menschen, die kein Wahlrecht haben, zum Ausdruck brachten".

Laut SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak sind die seit 2013 stattfindenden Pass-egal-Wahlen als Kritik daran gedacht, dass immer mehr in Österreich lebende Menschen hierzulande nicht wählen dürfen. Vielfach ist Österreich seit Jahrzehnten oder gar seit ihrer Geburt ihr Lebensmittelpunkt, doch als Bürger und Bürgerinnen anderer Staaten ist ihnen die politische Mitbestimmung verwehrt. In Niederösterreich trifft das auf inzwischen bereits 11,4 Prozent der in Niederösterreich lebenden Personen in wahlfähigem Alter zu.

Experten sprechen von einer demokratiepolitisch bedenklichen Entwicklung. Verantwortlich dafür ist hauptsächlich das strenge österreichische Staatsbürgerschaftsrecht.

"Stimmungsbild für eine inklusive Demokratie"

In Niederösterreich konnten Interessierte in Bad Vöslau, Baden, Gablitz, Hainfeld, Klosterneuburg, Neulengbach, Purkersdorf, Scheibbs und Wolkersdorf ihre Stimme abgeben. SOS Mitmensch betont, dass das Ergebnis der Pass-egal-Wahl nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Niederösterreicher und Niederösterreicherinnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft sei.

Vielmehr stehe das Wahlergebnis "stellvertretend für das Stimmungsbild jener Menschen, die von der Demokratie-Initiative erfahren haben und bereit gewesen seien, aktiv ein Zeichen für eine inklusive Demokratie zu setzen".

Auch vor anderen Wahlen

Die Beteiligung an der Aktion war geringer als bei Pass-egal-Wahlen in der Vergangenheit. In Oberösterreich hatten 2021 vor der Landtagswahl 1.618 Menschen ihre Stimme abgegeben, davon 626 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Am meisten Stimmen erhielt dort die SPÖ mit 45 Prozent.

Vor der Bundespräsidentschaftswahl im vergangenen Jahr hatten sogar mehr als 8.500 Menschen bei der Aktion mitgemacht. Abgestimmt wurde dabei bundesweit, eindeutiger Sieger war Alexander Van der Bellen mit 73 Prozent der Stimmen. (Irene Brickner, 25.1.2023)