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Mitarbeitergespräche sind ein wichtiges Instrument, um Mitarbeiter zu halten. Die Basis ist gegenseitiges Vertrauen.

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Wenn zwischen Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur wenig Vertrauen herrscht, dann wird auch das zwangsverordnete Mitarbeitergespräch keine Lösung bringen. Wer aber in Zukunft seine besten Köpfe stärker an sich binden will, kommt nicht darum herum, diese Gespräche als wertvolles Instrument zu sehen.

Doch einerseits haben viele Führungskräfte Angst davor, mit Themen konfrontiert zu werden, die sie lieber aussitzen könnten. Andererseits erahnen Mitarbeitende schon vorab, dass nun Kritik folgt, und sind dementsprechend vorsichtig in ihren Aussagen. Und für Teams, die schon vertrauensvoll und oft miteinander sprechen, fühlt sich das mit Checkliste einmal jährlich durchexerzierte Gespräch eher starr und befremdlich an.

Es braucht Gespräche – nur anders

Ehrliche und offene Gespräche zu suchen wird immer populärer. Das ist ein positiver Trend, der in Unternehmen aller Größen erkennbar ist

Laut einer Gallup-Studie von 2021 wünschen sich 93 Prozent der Belegschaft mehr Einfühlungsvermögen ihrer Vorgesetzten. Eine der Ursachen liegt in gesamtgesellschaftlichen Trends. Denn die Bedürftigkeit, im digitalen Zeitalter als Mensch wahrgenommen zu werden, ist heute so groß wie nie. Aber nur wenigen ist das auch wirklich bewusst. Daher können gut geführte und vor allem regelmäßige Gespräche ein effizientes Frühwarnsystem sein. Sie sorgen zudem für hohe emotionale Bindung an Unternehmen und Führungskraft.

Jeder hat auf seine Art recht

Je regelmäßiger Gespräche stattfinden, desto eher verringert sich auch die Gefahr aufgestauter Konflikte. Nicht selten erleben Führungskräfte unsachliche und emotionale Gespräche, weil viele Konflikte beiseitegeschoben wurden. Wenn dann ein Gespräch auch noch als halbherziges Pflichtprogramm abgearbeitet wird, laufen Unternehmen Gefahr, eine innere Kündigung der Mitarbeiter zu provozieren. Deshalb braucht es für Weiterentwicklung ein verstärktes Maß an Konfliktfähigkeit von beiden Seiten – die Fähigkeit, konstruktiv miteinander zu diskutieren, aber nicht um einen Gewinner zu finden, sondern um eine gemeinsame Lösung zu suchen. Der einfache Grundsatz für gelungene Gesprächsführung: "Jeder hat auf seine Art recht."

Es braucht Mut und Neugier, einen offenen Dialog zu führen. So zum Beispiel auch eigene Fehler eingestehen zu können. "Ich konnte nicht ausreden." "Mein Chef ist rhetorisch besser." "Meiner Chefin geht es nur um sie." "Über die wirklichen Probleme hatten wir gar nicht gesprochen." Viele dieser Aussagen sind aber Zeichen für fehlgeleitete Gesprächsführung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen sich als Teil eines großen Ganzen eingebunden fühlen – auch in Gesprächen. Deshalb ist ehrliches und aufrichtiges Interesse am Menschen so wichtig. Die Fähigkeit, zuzuhören und interessierte Fragen zu stellen, kann ein Game-Changer in der Zusammenarbeit werden.

So einfach das klingen mag, scheitert es doch vielfach an Eitelkeiten und persönlichen Charakterzügen von beiden Seiten. Andererseits müssen Unternehmen auch operativ Strukturen schaffen, damit sich beide Seiten überhaupt regelmäßig Raum und Zeit nehmen können, solche Gespräche zu führen.

Gesprächssituation klarmachen

Es macht Sinn, den Gesprächssituationen einen stärkeren Fokus zu verleihen. Wenn Termine für Mitarbeitergespräche vereinbart werden, so kann konkret zwischen Entwicklungsgesprächen, zahlenbasierten Zielvereinbarungsgesprächen, entspannten Motivationsgesprächen, Jahresabschlussgesprächen, Kritikgesprächen und statistischen Beurteilungsgesprächen differenziert werden. Diese Klarheit schafft einen Rahmen, auf den sich beide Seiten besser einstellen können.

Einen Dialog führen heißt, nicht vorrangig selbst zu reden. Viele verwechseln auch im direkten Gespräch "etwas kommunizieren" mit "miteinander reden". Teilen Sie wirklich Ansichten, oder ist es bloßes Mitteilen. Basiert das Gespräch wirklich auf dem Interesse am Gegenüber oder nur darauf, Redeanteile zu erhalten?

Mit dieser Art von "transparenter und offener Kommunikation" sowie der Bereitschaft, Fragen zu stellen und darauf einzugehen, was die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter gerade wirklich bewegt, kann eine Vielzahl an Therapien vorgebeugt werden.

Das erfordert keineswegs die Fähigkeiten eines Psychotherapeuten – vielmehr die Fähigkeit, zuzuhören und damit ehrliche Zuwendung zu zeigen. "Was ist Ihre Ansicht dazu?" "Wie fühlen Sie sich als Teil des Ganzen hier?" Kluge Fragen halten den Dialog am Leben, binden das Gegenüber ein, müssen aber auch gut durchdacht und angepasst an Situation und Charakter sein.

Damit lässt sich der inneren Kündigung vorbeugen, und gleichzeitig werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Loyalität und dem weiteren Engagement in Zukunft bestärkt.

Die fünf größten Fehler bei Mitarbeitergesprächen

  • Keine gemeinsame Lösungsbereitschaft, sondern Drang nach der Suche von Schuldigen.
  • Zeitmangel und Zeitdruck, der erkennbar oder spürbar ist.
  • Falsche Form der Kritik, die zu unsachlich, wenig wertschätzend oder plump geäußert wurde.
  • Keine Einbindung durch fehlende Rückfragen. Mitarbeiter fühlen sich dadurch weniger wahrgenommen/gebraucht.
  • Verharren in Rollenverständnis. Fühlt sich der Chef als "VORgesetzter", wird eine Atmosphäre des Misstrauens im Gespräch dominant sein.

(Jürgen Eisserer, 30.1.2023)