Der private Konsum, zu sehen die Wiener Innenstadt bei Weihnachtsbeleuchtung, sollte die Konjunktur auch weiterhin stützen.

Foto: APA/EVA MANHART

Energiemangel, Rezession und Inflation – die wirtschaftlichen Prognosen waren im Vorjahr an Pessimismus kaum zu überbieten. Allerdings haben sich die Aussichten in den vergangenen Wochen sukzessive aufgehellt, sodass die Befürchtung einer schweren Rezession in Europa vom Tisch sein dürfte. Vielmehr dürften sich die Wachstumsraten heuer nahe null einschleifen bei immer noch hoher Inflation – also ein Jahr der sogenannten Stagflation bevorstehen. Aber wird sich diese Mischung aus wirtschaftlichem Stillstand und hoher Teuerung wie in den 1970ern verfestigen? Nein, sagen heimische Ökonomen.

Für Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo macht etwa der hierzulande sehr robuste Arbeitsmarkt einen signifikanten Unterschied zu damals. Wegen der einsetzenden Pensionierungswelle der geburtsstarken Babyboomer stellten die Unternehmen bereits Leute ein. Die Jobs seien sicher, was die Konsumausgaben stimuliere. "Das treibt natürlich schon an", sagt Scheiblecker.

Dazu komme abnehmender Inflationsdruck durch die – unter das Niveau zu Ausbruch des Unkraine-Kriegs – gesunkenen Öl- und Gaspreise. Auch der zuletzt gegenüber dem US-Dollar wiedererstarkte Euro dämpft über höhere Kaufkraft im Ausland die sogenannte importierte Inflation. Daraus schließt der Wifo-Experte, dass die letzte Inflationsprognose seines Hauses von 6,5 Prozent für heuer "wahrscheinlich zu hoch" sein könnte.

Rezession wohl abgesagt

"Das Thema Rezession in Europa scheint abgesagt zu sein", sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria. Eine dauerhafte Stagflation erwartet auch er nicht. Dafür sieht er mittel- bis langfristig zu viele Wachstumstreiber. Eine wiedererstarkte globale Nachfrage sollte den heimischen Exportsektor stimulieren und die Digitalisierung für Investitionen sorgen. Als wichtigster Treiber wird sich Bruckbauer zufolge "die grüne Transformation" etablieren. "Aus diesem Titel kann in den nächsten Jahren schon einiges Wachstum kommen", sagt er mit Blick auf Infrastruktur, Mobilität, erneuerbare Energien oder thermische Sanierung.

Als mögliches Risiko für einen Aufschwung sieht der Bank-Austria-Ökonom eine sehr straffe Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Sollte diese einen weiterhin aggressiven Kurs mit vergleichsweise hohen Leitzinssätzen fahren, könnte dies die Konjunktur ebenso bremsen wie ein starkes Zurückfahren der Staatsausgaben, um die Haushaltsdefizite zu verringern.

Knapper Arbeitsmarkt

In weiterer Zukunft könnte Wifo-Ökonom Scheiblecker zufolge auch der Arbeitsmarkt Probleme bereiten. "Die Enge am Arbeitsmarkt bereitet mittelfristig Sorgenfalten", sagt er – nämlich wenn Unternehmen nicht mehr ausreichend Personal finden. Neben Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland könne man mit späterem Pensionsantritt und dem Heben von Beschäftigungspotenzialen – etwa durch bessere Kinderbetreuung in ländlichen Regionen – gegensteuern.

Scheiblecker zufolge befindet sich Österreich etwa seit 2017 in einer von der Industrie ausgehenden langfristigen Phase höheren Wachstums, die durch die drei außergewöhnlichen Jahre von 2020 bis 2022 mit Pandemie und Ukraine-Krieg unterbrochen worden sei. Daran werde Österreich 2024 mit einem Wachstum um 1,8 Prozent anknüpfen. Wie lange diese Phase anhalten werde, ist dem Wifo-Experten zufolge ungewiss. Es könnten aber bis zu zehn Jahre werden. (Alexander Hahn, 28.1.2023)