Porträt der Künstlerin als eine, die etwas verfertigt, was andere dann aus guten Gründen "Kunst" nennen: Julia Haugeneder bei der Arbeit.

Foto: Christine Miess

Hinter den Vorhang spähen und Verborgenes beobachten. Das ist eine besondere Verlockung, auch wenn sie nicht voyeuristisch motiviert ist, sondern nur vom Drang zu verstehen, was hinter einem Kunstwerk steckt. Zum Beispiel, wie ein Tanz, ein Lied oder ein Bild zustande gekommen ist. Wie der künstlerische Prozess hinter einem Werk aussieht.

Das macht die in Wien arbeitende irische Künstlerin und Choreografin Asher O’ Gorman zum Thema von Stroke all the colours out of the sky – a portrayal of the artist’s process, dessen Uraufführung gerade im Brut-Theater zu sehen ist. Der Diskurs dahinter hat bereits eine längere Geschichte: Wie sehr ist, erstens, der jeweilige Entstehungsprozess Teil eines Kunstwerks? Oder ist, zweitens, der Prozess nicht die eigentliche Kunst, das "Endprodukt" nur ein Anhängsel? Sehr schön postmodern und in den 1990ern leidenschaftlich diskutiert.

O’ Gorman holt diese immer ambivalent gewesene Geschichte gerade jetzt aus dem Keller. Zu Recht, denn heute erzeugen auch Herkunft und Entstehen der Produkte unserer Konsumwelten immer mehr Aufmerksamkeit. Parallel dazu hat das Abdrängen von Kunstwerken aus den Freiräumen ihrer Eigenständigkeit in die Wüsten der Spekulation, in Feuchtgebiete der Seelenmassage oder in Kirchen für moralische Standpauken die alte Was-ist-Kunst?-Frage neu angeheizt.

Dazu passt nun wieder der Verweis auf den Entstehungsprozess, der in jedem Kunstwerk eingelagert ist. Asher O ’Gorman hat dies clever erkannt. Sie präsentiert ihr Portrayal of the artist’s process gleich als das, was sich oft hinter früheren einschlägigen Debatten verbarg: als Versuch, den Entstehungsprozess selbst produktreif zu machen. Dafür bringt sie die Musikerin Christa L. Wall mit den Kunstschaffenden Lukas Hochrieder, Julia Haugeneder und Sophia Gatzkan zusammen.

Deren Produktionsarbeit ist angenehm anzuschauen: Gatzkan rasiert Wall den Rücken und fertigt später einen Abdruck von ihm an, Hochrieder verarbeitet Ton zu Schüsselchen, Würsten oder Staub, und Haugeneder rührt Dispersion in einem Kübel. Eigentlich sollte der Pfad zum Kunstwerk immer provisorisch, löchrig und riskant sein – für die vier in O’ Gormans Arbeit jedoch wird er zum Spazierweg: sicher, bequem, einladend. Obwohl Wall in einer Gesangspassage andeutet, dass sich auch Ungewolltes in den Prozess mischen kann, liefern alle Beteiligten insgesamt ein künstlerisches Wohlfühlpaket ab.

Wider die Widrigkeit

Und das passt perfekt in eine anschwellende Strömung bei Tanz- und Performance-Produktionen der neuen Generation, die keine negativen Schwingungen mehr aufkommen lässt. Dieser Trend stellt eine Abwendung von den Widrigkeiten der Welt zur Schau. Junge Künstlerinnen und Künstler wie O’ Gorman haben mit der Idee, die Abgründe ihrer Zeit zu bearbeiten, abgeschlossen. Lieber führen sie eine bessere Welt wie die Umkehrung eines Bildnisses des Dorian Gray vor: Aus dem bösen, hässlichen Porträt wird ein gutes und schönes. Das sich aber, dem Stücktitel entsprechend, auch als ein wenig farblos erweist. (Helmut Ploebst, 29.1.2023)