Moral? Geschäft? Auf RBI-Chef Johann Strobl wartet eine große Entscheidung.

Foto: Raiffeisenbank

Er ist der meistgesuchte Banker Österreichs – jedenfalls in der Medienbranche. Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine versuchen Zeitungen, TV- und Radiosender Johann Strobl, den Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisen Bank International (RBI), für Interviews zu gewinnen.

Vergeblich. Dafür steht der 63-jährige sowieso gar nicht öffentlichkeitsaffine Bankchef nicht zur Verfügung, zu heikel ist die Lage des Spitzeninstituts des Raiffeisensektors. Einzige Antwort zur Frage, ob die RBI auch künftig in Russland aktiv bleiben werde bzw. aus moralischen Gründen dortbleiben dürfe: "Wir prüfen alle Optionen." Nur in der Hauptversammlung im Frühling sagte der Burgenländer in der ihm eigenen trockenen Art und den Kopf wie immer schräg nach unten gesenkt einen Hauch mehr: "Eine Bank ist kein Würstelstand, den man über Nacht zusperren kann."

Auf der Sanktionsliste

Dass er dereinst kriegsbedingt auf einer Sanktionsliste landen werde, konkret jener der Ukraine, das hätte sich Zahlenmensch Strobl 2017 wohl nicht albträumen lassen, als er Chef der frischfusionierten RBI wurde. Damals hatte der Vater dreier Kinder, die er nach der Scheidung allein aufgezogen hatte, im zweiten Anlauf seinen Traumjob ergattert, obwohl er gar nicht der Typ ist, der "etwas anstrebt", wie seine Beobachter sagen. In den RBI-Chefsessel wollte der Sohn einer Mattersburger Bauernfamilie und WU-Absolvent, der später Risikovorstand der Bank Austria wurde, aber sehr wohl: Es gebe kaum einen vergleichbaren Job im Bankwesen, meinte er damals zum STANDARD.

Die Aufgaben, die ihn erwarteten – Eigenkapital aufbauen, Beteiligungen abstoßen sowie die mächtigen Raiffeisen-Landesbank-Chefs von seinen Qualitäten überzeugen –, hat er inzwischen erledigt. Die Bank verdient gut, besonders in Russland, das einen Großteil zum RBI-Gewinn beisteuert.

Und genau da hakt es nun: Die Russland-Frage überlagert alles. Pferdefan Strobl, der englische und arabische Vollblüter züchtete und mit dem heutigen Erste-Group-Chef Willibald Cernko zwei Galopper-Rennställe betrieb, muss früher oder später alles auf ein Pferd setzen: entweder die Russland-Tochter verkaufen, was die RBI viel Geld kosten würde. Oder in Moskau bleiben, wodurch die RBI wohl weiter an Image einbüßen würde. Eine Lose-lose-Situation, sagen nicht nur ausgewiesene Kenner der Branche. Und vielleicht das erste wirklich große Risiko, das Johann Strobl nicht berechnen kann. (Renate Graber, 31.1.2023)