Keine Sorge: Bei dieser Schrift handelt es sich um die Schulschrift 1995.

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Es mag so manche Schönschreiberinnen und Verzierer erschüttern; Schmierfinken wird es vielleicht gar nicht auffallen: Ab dem Schuljahr 2023/2024 wird in Österreichs Bildungsstätten die Schulschrift aus dem Jahre 1969 nicht mehr gelehrt. Bei dem Auslaufmodell handelt sich um eine besonders schnörkelige Schrift, mit der viele Generationen in Österreich das Schreiben gelernt haben – bis 1995. In dem Jahr wurde vom damaligen roten Bildungsminister Rudolf Scholten die neue Schulschrift in die Klassenzimmer getragen. Sie wurde als "gut lesbar, leicht erlernbar und besser vermittelbar" angepriesen. Ihr Vorgänger wurde allerdings nicht abgeschafft. Fortan konnten Lehrende wählen, wie viele Kringel sie die Kinder lehren.

Weil zuletzt immer mehr Lehrende sowieso auf die neuere Schulschrift von 1995 setzten und Schulbücher wie Schreiblehrgänge nicht mehr in der Schulschrift von 1969 angeboten werden, soll die alte Schrift nun endgültig nicht mehr vermittelt werden. Doch: Verboten ist sie natürlich nicht.

Kleine, feine Unterschiede

Zu den Buchstaben, die vor beinahe 30 Jahren den stärksten neuen Anstrich bekommen haben, zählen etwa das große H oder das kleine w. 1995 verlor das H seine markanten Kringel. Das kleine w wiederum wurde dem großen angenähert. Bei den Zahlen wurden etwa die charakteristische Schlaufe der Zwei oder die gewellte Dachlinie der Sieben abgeschafft.

Die alte Schulschrift aus dem Jahr 1969.

Das Schreiben steht in der ersten und zweiten Klasse Volksschule auf dem Lernplan: Blockbuchstaben, Schulschrift und Gemischtantiqua werden gelehrt. Dann sollen Kinder aber auch ihren persönlichen Stil entwickeln – solange er im Wesentlichen an die Schulschrift angelehnt ist, also Ziffern und Buchstaben eindeutig erkennbar sind.

In Zukunft wird nur noch die "Schulschrift 1995" zum Einsatz kommen.

Von Forschungsprojekten ist bekannt, dass das Erlernen der Schreibschrift von Kindern in den ersten Schuljahren als sehr mühsam empfunden wird. Die Idee, auf das Schreiben am Computer umzuschwenken, betrachten Expertinnen und Experten jedoch mit Skepsis. Das Schreiben mit der Hand sei förderlich für die Entwicklung von Lese- und Schreibfertigkeiten, wobei es unerheblich ist, ob Inhalte dabei in Druckschrift oder Schreibschrift zu Papier gebracht werden.

Handschrift hilft beim Merken

Relativ klare Befunde gibt es in Hinblick auf die förderliche Wirkung der motorischen Tätigkeit des Schreibens. Fachleute gehen davon aus, dass Inhalte besser gelernt werden, wenn sie motorisch integriert werden. Nicht zuletzt wirkt das handschriftliche Schreiben positiv auf die Merkfähigkeit. Zu diesem Schluss kam eine Studie der University of Tokyo, die im Fachjournal Frontiers in Behavioral Neuroscience publiziert wurde.

Wer per Hand auf Papier schreibt, kann sich das Notierte besser merken, resümierte das Forschungsteam. Beim Erinnern an Informationen auf analogem Papier werden verstärkt Hirnregionen aktiviert, die an imaginärer Visualisierung beteiligt sind, wie Hirnscans zeigten. Dieser Umstand helfe dem Gedächtnis auf die Sprünge. In der Studie waren alle Teilnehmer zwar zwischen 18 und 29 Jahren alt, die Forschenden vermuten aber, dass die Effekte bei Kindern noch stärker ausfallen könnten, da sich ihre Gehirne noch in der Entwicklung befinden.

Obwohl das händische Schreiben erhalten bleibt, spielt in der Schule das Tippen eine immer größere Rolle. "Wenn wir ein Klassenzimmer von 1969 mit einem Klassenzimmer von heute vergleichen, hat das nur mehr wenig miteinander zu tun", heißt es in einem Statement von Bildungsminister Martin Polaschek. Während früher vor allem mit Schulbüchern und Heften gearbeitet wurde, würde man heute stärker auf die Nutzung von Tablets und Laptops setzen.

Digitales Klassenzimmer

Allein durch die Geräteinitiative in den vergangenen beiden Jahren wurden laut Ministerium mehr als 267.500 digitale Endgeräte an Schulen in ganz Österreich ausgeliefert.

Auf Nachfrage des STANDARD heißt es zur Verbreitung von Tablets und Co in den Schulklassen: 1541 Schulen würden sich im laufenden Schuljahr am Roll-out beteiligen. "Das sind 95 Prozent aller Schulen der Sekundarstufe I" – also der Unterstufenklassen. Der Anteil der teilnehmenden AHS-Unterstufen und Mittelschulen liegt dabei sogar über 98 Prozent, die Statistik drückt jedoch der Anteil in den Sonderschulen: 70 Prozent der Schulen nutzen digitale Endgeräte. Seit dem Schuljahr 2021/2022 hätten insgesamt 12.003 Schulklassen teilgenommen.

Doch wieso wird gerade jetzt die alte Schrift abgeschafft? Laufend würden Erlässe auf ihre Aktualität geprüft, heißt es aus dem Bildungsministerium. Dabei würden nicht mehr notwendige Erlässe aufgehoben, die Regelungen "entwirrt und an die Gegebenheiten angepasst". Das sei auch der Fall bei der "Doppelgleisigkeit" mit der Schulschrift von 1969 gewesen. Diese sei nun ein Fall für die "Geschichtsbücher". (Oona Kroisleitner, Marlene Erhart, 1.2.2023)