Mit dem HinweisgeberInnenschutzgesetz sollen Whistleblowern keine Repressalien drohen, wenn sie auf Missstände hinweisen.
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Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Hinweisgeberichtlinie, das sogenannte HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), ist nun mit reichlich Verzögerung endlich auch in Österreich da. Für Unternehmen steht damit fest: Sie müssen interne Hinweisgebersysteme noch dieses Jahr implementieren.

Doch wird das HSchG seinen Zweck – nämlich die Bestärkung von rechtmäßigem Verhalten und den Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien bei der Abgabe von Meldungen – erfüllen? Daran bestehen starke Zweifel, an Kritik von Opposition, Interessenvertretungen und NGOs mangelt es nicht. Insbesondere der eingeschränkte sachliche Anwendungsbereich, der beispielsweise nicht das gesamte nationale Strafrecht umfasst, sondern nur ausgewählte Straftatbestände wie etwa Korruption, wird beanstandet. Hinzu kommt, dass nach monatelangen Verhandlungen und Diskussionen unter den Unternehmen eine gewisse Umsetzungsmüdigkeit vorhanden ist. Dies ist zum Teil auch verständlich, da oft die Botschaft vermittelt wurde, es handle sich bei Hinweisgebersystemen um ein großes Übel ohne jeglichen Mehrwert.

Was kann es Unternehmen bringen?

Mit diesem Mythos wollen wir allerdings aufräumen: Denn es liegt an den Unternehmen selbst, die internen Hinweisgebersysteme so aufsetzen und zu kommunizieren, dass sie auch tatsächlich einen Mehrwert haben. Es ist auch im Interesse der Unternehmen, einen internen Hinweisgeberkanal einzurichten, damit intern und nicht extern an die Behörden oder Medien über Missstände berichtet wird. Doch wie gelingt das am besten? Und wie können Unternehmen aufkommenden Herausforderungen in diesem Zusammenhang vorgreifen?

Wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Kommunikation. Sowohl die Auswahl des Hinweisgebersystems als auch die Bekanntmachung an die Adressatinnen und Adressaten sowie der "Tone from the Top" der Unternehmensleitung können den Unterschied machen.

Bereits bei der Auswahl eines Systems zeigt sich, welcher Stellenwert einer Hinweisgeberin oder einem Hinweisgeber beigemessen wird. Ein Briefkasten verbreitet hier bestimmt nicht die richtige Botschaft, um die Abgabe von Meldungen zu bekräftigen. Wurden in der Vergangenheit keine Meldungen abgegeben, hat das oft zu der Annahme geführt, dass keine Missstände im Unternehmen bestehen, mit dem Rückschluss, ein System sei wirkungslos. Studien zeigen jedoch genau das Gegenteil: Organisationen, die kein Hinweisgebersystem haben, sind dem Risiko ausgesetzt, dass Missstände durch eine externe Prüfung, Zufall oder durch Abgabe an eine externe Stelle bekannt werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich in der Praxis der Einsatz von webbasierten Plattformen, die 24/7 verfügbar sind, durchgesetzt hat.

Weitere Vergehen aufnehmen

Auch wenn sich der Meldekatalog im HSchG fast zur Gänze an der EU-Hinweisgeberrichtlinie orientiert, sollten Unternehmen die Möglichkeit nutzen, ihre internen Hinweisgebersysteme auf Compliance-Verstöße zu erweitern. Dazu gehören zum Beispiel Untreue und Betrug, aber auch Verstöße gegen den internen Code of Conduct. Bekennt sich das Unternehmen dazu, den Schutz vor Repressalien auch auf diese anzuwenden, wird damit ein Exempel statuiert und die Wichtigkeit des Systems betont. Nur dadurch kann das System als ein integraler Bestandteil eines effektiven Compliance-Management-Systems fungieren.

Vor und während der Einführung ist zudem auf die Einbindung der entsprechenden Fachabteilungen wie Datenschutz, IT, Belegschaftsvertreterinnen und -vertreter sowie HR zu achten. Dies erhöht die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens aus Sicht der Mitarbeitenden. Und nur so kann im Fall des Eingehens einer Meldung ein abgestimmtes Vorgehen zwischen diesen Abteilungen sichergestellt werden.

Was tun mit den Hinweisen?

Erfolgskritisch ist auch eine nachvollziehbare Bearbeitung der eingegangenen Hinweise. Fragen, die in diesem Zusammenhang unbedingt beantwortet werden sollten, sind: Was ist Gegenstand der Meldung, sind Ad-hoc-Maßnahmen zu setzen, wer ist in die Meldungsbearbeitung einzubinden, gab es einen Schaden für das Unternehmen, welche Optimierungspotenziale gibt es, und was wird an den Hinweisgeber kommuniziert? Ein bloßes Lippenbekenntnis für den Schutz von Whistleblowern ist nutzlos, wenn eingegangenen Hinweisen nicht entsprechend nachgegangen wird. Dies ist in der Regel auch die Ursache dafür, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sich an eine externe Stelle oder gar die Öffentlichkeit wenden.

All die bereits genannten Punkte sind essenziell. Damit ein implementiertes Hinweisgebersystem aber tatsächlich genutzt wird, braucht es von Anfang an dessen befürwortende Kommunikation innerhalb des Unternehmens. Diese ist nicht nur zur Bewusstseinsschaffung notwendig, sondern trägt auch zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads bei. Fraud-Studien belegen, dass knapp 50 Prozent der Betrugsfälle durch Mitarbeitende des Unternehmens aufgedeckt werden. Diese Zahl sollte als Motivation für ein Bekenntnis durch die Führungsebene dienen. Und eines ist auch klar: Jede und jeder im Unternehmen muss einen Beitrag leisten. Nur dann können mit einem Hinweisgebersystem tatsächlich Compliance-Verstöße frühzeitig intern erkannt und aufgedeckt werden. (Svetlana Gandjova, Shahanaz Müller, 2.2.2023)