Das Chardonnay-Glas hat einen üppigen, weit geöffneten Kelch. Das Riesling-Glas verjüngt sich nach oben hin und läuft in einem langgezogenen Kamin aus. Und das Burgunder-Glas? Ist bauchig und voluminös. Taucht man in die Welt des Weines ein, stellt sich gleich auch die Frage nach dem richtigen Weinglas.

Das Angebot ist riesig und für Laien schnell unübersichtlich, die Preise für ein Glas reichen vom einstelligen bis in den dreistelligen Bereich. Die Kaufentscheidung liegt längst nicht allein zwischen Rot- und Weißweingläsern. Exakt auf Rebsorten zugeschnittene Modelle versprechen, die Finessen der einzelnen Weine zu betonen und die Aromenpaletten der Bouquets ideal zu entfalten. In Workshops erschmecken und erriechen Expertinnen und Experten in Blindverkostungen das ideale Glasdesign für die jeweiligen Sorten. Die Form folgt der Funktion. Schließlich soll der Genuss des edlen Tropfens, der jahrelang im Weinkeller reift, am Ende nicht an der Wahl des Glases scheitern.

Bauchig oder schmal – die Glasform beeinflusst den Geschmack des Weines.
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Platz für den Wein

Sommelier und Wein-Consultant Robert Stark zieht einen Vergleich zwischen Wein und dem Kleidungsstil von Menschen. Jedem stehe etwas anderes. Beim Wein sei das ähnlich. Die Wahl des Glases entscheidet darüber, ob sich das geschmackliche Potenzial des Weines richtig entfalten kann. Im besten Fall versorgt das Glas den Wein mit der idealen Menge an Sauerstoff, konzentriert die Aromen und holt das Beste heraus. Dass die Form des Weinglases den Geschmack des Inhalts beeinflusst, haben Studien und Blindverkostungen wiederholt gezeigt.

"Jeder sollte das selbst ausprobieren, zwei verschiedene Gläser nebeneinanderstellen und daraus denselben Wein bewusst kosten", empfiehlt Stark. Dabei gilt grundsätzlich: Je komplexer und gehaltvoller der Wein, desto mehr Platz und Oberfläche benötigt er. Ein junger Rotwein macht sich in einem Glas mit großem Volumen besser als in einem schmalen Weinglas. Durch den Kontakt mit Sauerstoff entfalten sich die Aromen, die Tannine, pflanzliche Gerbstoffe, werden weicher und zugänglicher.

Sollte man sich also ein ganzes Arsenal an unterschiedlichen Gläsern für all seine liebsten Rebsorten in den Schrank stellen? "Definitiv nein", ist Stark überzeugt. "Es gibt Millionen verschiedener Weine. Selbst solche derselben Rebsorte schmecken unterschiedlich, je nachdem, auf welchem Hang sie wachsen." Deswegen wäre es für Privatpersonen kaum sinnvoll, sich für jede Weinsorte ein eigenes Glas zuzulegen. "Zwei Gläser reichen im Grunde", sagt der Sommelier. Laut Stark reichten ein kompaktes, schmäleres Weinglas, dazu ein bauchigeres, größeres Rotweinglas prinzipiell aus. Mit diesen beiden Glastypen bespiele er selbst alles, was bei ihm auf den Tisch kommt. Natürlich kann man aber die Wahl des Weinglases auch ganz nach den persönlichen Vorlieben gestalten. Nur von allzu kleinen Gläsern rät Stark in jedem Fall ab. Ein ordentliches Grundprodukt brauche Platz, damit sich die Aromen entfalten können. Sektflöten sollte man demnach aus dem Weinschrank verbannen.

Ein ordentliches Glas

"Wenn ordentlicher Wein getrunken wird, gehört ein ordentliches Glas auf den Tisch", sagt Stark. Ein hochwertiges Weinglas liegt gut in der Hand, ist dünn und besitzt einen feinen Rand. Alles andere ist Geschmackssache. Mundgeblasene Gläser sind dünnwandig, der Rand des Glases ist an den Lippen kaum spürbar. Dafür gehen sie leichter zu Bruch und sind teurer als maschinell gefertigte Gläser. Auch über die Frage des Stiels lässt sich streiten. Dieser soll ein elegantes Schwenken des Glases ermöglichen und verhindern, dass der Wein durch die Hand unerwünschterweise erwärmt wird. "Wer Angst vor dem Erwärmen des Weines hat, der trinkt einfach zu langsam", scherzt Stark, der hin und wieder selbst gerne zu einem stiellosen Glas greift: "Wenn die Qualität und die Stimmung passen, macht mir ein stielloses Glas genauso Freude."

Letztlich ist der Kauf der richtigen Weingläser immer auch eine individuelle Entscheidung. Natürlich spielt auch das Budget eine Rolle. Aber hier gibt Stark Entwarnung: "Es gibt für fast jede Geldtasche ein ordentliches Glas." Und er rät: "Die Fachmannschaft hilft. Lassen Sie sich beraten, sagen Sie, was Ihnen gefällt, was Ihnen schmeckt und was Sie ausgeben möchten." So bekommt man auch ein ordentliches Glas. Zum Wohl! (RONDO, Judith Steinkellner, 12.2.2023)