Der Wiener Verein "Bündnis für Kinderschutz" hatte den möglichen Missbrauch eines Dreijährigen im Skiort Lech öffentlich gemacht.

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Es sind schwere Vorwürfe, denen die Staatsanwaltschaft Feldkirch zurzeit nachgeht: Ein Betreuer einer Kinderbetreuungseinrichtung im Vorarlberger Lech soll im Jänner einen dreijährigen Buben aus Wien sexuell missbraucht haben. Gegen den Betreuer wird ermittelt. Auch zwei weitere Familien hätten sich gemeldet. Allerdings nicht bei der Polizei, sondern beim Wiener Verein "Bündnis für Kinderschutz", der laut eigenen Angaben einen Detektiv beauftragt hatte, um Beweise zu sichern, die der Verein nun häppchenweise an die Öffentlichkeit trägt.

Von den Aktivitäten des Vereins distanzierten sich darauf am Montag die Österreichischen Kinderschutzzentren. Man dürfe in solchen Fällen nicht skandalisieren, sondern müsse professionell und vernetzt handeln – zum Wohle der Kinder.

Die Leiterin des privaten Skikindergartens in Lech zeigte sich zunächst ob des Verdachtsfalls "schockiert", verwies aber gleichzeitig auf Sicherheitsvorkehrungen und ein eigenes "Raumkonzept". Dieses sehe schon jetzt vor, dass alle Kinder gemeinsam in einem Raum mit mehreren Betreuerinnen und Betreuern seien. Eine Darstellung, der das Bündnis für Kinderschutz widersprach.

Kinderschutzpaket der Regierung

Nicht nur wirft dieser neuerliche Missbrauchsverdachtsfall reichlich Fragen auf – er befeuert auch die Debatte rund um den Kinderschutz in Österreich, die die Causa Teichtmeister ausgelöst hatte. Die türkis-grüne Regierung hatte vor dem Hintergrund des Falls angekündigt, Täter künftig härter zu bestrafen und Kinder besser zu schützen. Doch können die anstehenden Maßnahmen mutmaßliche Missbrauchsfälle wie jene in Lech verhindern? Oder greifen sie zu kurz?

Für Petra Birchbauer spielen hier Kinderschutzkonzepte eine entscheidende Rolle: "Nur so verpflichtet sich eine Organisation, präventive Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu setzen", sagt die Vorsitzendes im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren zum STANDARD. Strafregisterauszug, Verhaltenskodex und Schulungen für Mitarbeitende – all das würde ein solches Konzept beinhalten.

Und: "In einem Kinderschutzkonzept wird klar festgelegt, wie zu tun ist, wenn eine Mitarbeiterin im Verdacht steht, Grenzüberschreitungen oder Gewalt an Kinder getätigt zu haben, wer zu informieren ist, welche Maßnahmen innerhalb der Organisation zu tätigen sind und auch welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen gesetzt werden", sagt Birchbauer.

Raumkonzept zu wenig

Ein "Raumkonzept", wie es die Leiterin des Lecher Kindergartens angegeben hatte, geht für Petra Birchbauer da nicht weit genug. Gleichzeitig räumt sie aber ein, dass man dem Kindergarten hier keinen Vorwurf machen könne, weil die Konzepte bis dato einfach noch nicht Standard gewesen seien.

Das soll sich aber nun ändern: Laut Plänen der Regierung müssen alle Schulen – Bundesschulen und Pflichtschulen – in Österreich künftig Kinderschutzkonzepte vorlegen. Kindergärten, die in der Zuständigkeit der Länder stehen, und etwa Vereine sind von diesem verpflichtenden Konzept allerdings ausgenommen. Hier setze man auf ein Gütesiegel. Die Bildungsdirektionen seien jedenfalls angehalten, ein Konzept in den Kindergärten – Wien hat bereits ein solches – einzuführen, heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus dem Bildungsministerium.

Öffentliche Diskussion sensibilisiert

Dass sich die Regierung nicht dazu durchgerungen hat, Kinderschutzkonzepte für alle Organisationen verpflichtend vorzuschreiben, bedauert Birchbauer. Zuversichtlich zeigt sie sich dennoch: In ihren Augen würden sich diese Kinderschutzkonzepte auch in Vereinen durchsetzen, da diese ein Qualitätsmerkmal sind. "Auch Eltern werden durch die öffentliche Diskussion künftig darauf achten, ob eine Einrichtung ein Kinderschutzkonzept hat oder nicht." Was feststeht: Hier gibt es also noch Luft nach oben im Kinderschutz, wenn es darum geht, mutmaßliche Fälle wie im Lecher Kindergarten zu verhindern. (etom, 7.2.2022)