Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) verlangt vom ORF einen strikten Sparkurs, bevor die Regierung über die künftige öffentliche Finanzierung von Österreichs größtem Medienunternehmen entscheidet.

Foto: APA/Roland Schlager

Wien – Am Donnerstag soll es für den ORF ernst werden. Zumindest wenn es nach der Ankündigung von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und ihrem Sinn für Dramatik geht. Am Sonntag ließ sie der Nachrichtenagentur APA in einem rund zehnzeiligen Statement mitteilen, dass sie in dieser Woche zu einem "entscheidenden Vier-Augen-Gespräch" mit Roland Weißmann zusammenkommen werde. Das Gesprächsthema? Geld.

Der ORF-Generaldirektor wurde im August 2021 von ÖVP-nahen Stiftungsräten zum Chef von Österreichs größtem Medienunternehmen gewählt. Jetzt muss er liefern.

Sie wolle einen "ORF-Rabatt für die Österreicherinnen und Österreicher", teilte Raab der APA mit. Seitdem ist sie auf Tauchstation – und erntet heftige Kritik für ihre Ansagen. Nachfragen werden von ihrem Presseteam nicht beantwortet. Gegenüber Medien wird die Medienministerin nur selten konkret.

Raab verlangt vom ORF einen Kassasturz und einen Sparkurs, "denn das Geld für den ORF wächst nicht auf den Bäumen". Erst danach könne die ORF-Finanzierungsfrage geklärt werden.

ORF will Sparkurs fahren

Nach unbestätigten STANDARD-Infos könnte Weißmann beim Gespräch mit Raab ein Konzept mit massiven Einsparungen präsentieren. Der ORF solle schlanker, digitaler werden. Kolportierte Sparsumme: 250 Millionen Euro über die nächsten fünf Jahre. Um kurzfristig Restrukturierungskosten etwa für den Personalabbau abzufedern, könnte es im Gegenzug mehr finanzielle Mittel geben. Der ORF hat bereits in den letzten Jahren hunderte Beschäftigte abgebaut. Ein weiterer personeller Aderlass würde ordentlich an die Substanz des öffentlich-rechtlichen Unternehmens gehen – siehe Artikel unten.

Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer weist in seinem Blog darauf hin, dass Raab nicht für Sparmaßnahmen beim ORF zuständig sei, sondern die ORF-Geschäftsführung und der Stiftungsrat.

Zur APA sagte ORF-Chef Weißmann am Dienstag, dass die Zeit für eine Lösung dränge: "Wir reden hier von den nächsten sechs bis acht Wochen." Konkret pocht der ORF seit langer Zeit auf eine Digitalnovelle. Er möchte etwa Inhalte online-only und online-first anbieten können. Weißmann ist optimistisch, dass eine Digitalnovelle zeitgleich mit einer Lösung der Finanzierungsfrage fixiert wird.

Schon eingespart

Der ORF habe in der vergangenen Dekade zwölf Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut und kumuliert 450 Millionen Euro in den Programmkosten eingespart. Auch der Lohnabschluss fiel im Vorjahr mit 2,1 Prozent Gehaltsplus für das laufende Jahr angesichts der Teuerung äußerst moderat aus.

Weißmann hat im November 2022 davor gewarnt, dass der ORF vor "einer der größten Finanzkrisen seiner Geschichte" stehe. Die Lücke: 325 Millionen Euro bis 2026.

Was ist der "ORF-Rabatt"?

Der ORF erwartet heuer 667 Millionen Euro an Einnahmen aus der GIS-Gebühr. Was Raab mit dem ins Spiel gebrachten "ORF-Rabatt" meint, ist unklar. Bund und Länder hätten es selbst in der Hand, die Zuseherinnen und Zuseher zu entlasten, wenn sie die ORF-Gebühren filetieren. Der ORF lukriert aus den GIS-Gebühren das monatliche Programmentgelt in der Höhe von 18,59 Euro. Der Rest geht an Bund und Länder, die mit der Abgabe etwa Kulturförderungen mitfinanzieren. Am meisten naschen die Steiermark und das Burgenland mit. Dort muss man monatlich 28,65 Euro bzw. 28,45 Euro für ORF-Empfang zahlen.

Die schwarz-grüne Regierung sollte sich bald entscheiden. Bis 2024 muss eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs umgesetzt werden, wonach auch die Streamingmöglichkeit von ORF-Angeboten künftig kostenpflichtig sein muss.

Drei Varianten im Spiel

Zur Diskussion stehen die Erweiterung der GIS auf streamingfähige Geräte, die Einführung einer Haushaltsabgabe oder die Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget. Die Grünen brachten letztgenannte Variante ins Spiel, die mit einer Zweidrittelmehrheit abgesichert und automatisch inflationsangepasst sein sollte. Die ÖVP ist dagegen.

Die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, sagt auf STANDARD-Anfrage zum Verhandlungsstand nur so viel. "Eines ist klar: wir bekennen uns zu einem unabhängigen Qualitätsjournalismus in Österreich – dafür ist ein starker ORF aus Grüner Sicht unabdingbar."

Wo der ORF sparen könnte

Medienministerin Susanne Raab fordert Einsparungen im ORF und niedrigere GIS-Gebühren. ORF-General Roland Weißmann legt im Treffen mit Raab am Donnerstag Vorschläge vor, wo das möglich wäre. Wo könnte der ORF sparen?

  • Landesstudios Auf rund 870 Millionen Euro belaufen sich die Gesamtkosten für alle ORF-Direktionen vom Generaldirektor über Programm, Radio, Finanzen, Technik bis zu den Ländern. Rund 120 Millionen kosten die neun Landesstudios. Insgesamt brauchen sie rund ein Viertel der gesamten ORF-Personalkosten. Landesdirektoren stehen auf der Gehaltsliste mit zwischen 180.000 und 200.000 Euro. Großes Einsparpotenzial, wenn etwa die Koordination der regionalen Berichterstattung zentral erfolgt.

  • Radiosymphonieorchester Neun Millionen Euro kostet den ORF das Orchester pro Jahr. Die Ausgliederung stand schon öfter im Raum. Nun wäre die Gelegenheit für ein vernünftiges Ausstiegsszenario.

  • Viele Kanäle Laut dem ORF-Gesetz muss der ORF zwei bundesweite Radiokanäle und zwei nationale TV-Programme via Rundfunk empfangbar für möglichst alle anbieten. Derzeit strahlen mit Ö1, Ö3, FM4, ORF 1, 2 und 3, sowie Sport Plus wesentlich mehr aus. Sparpotenzial drängt sich etwa bei ORF 1 auf, das um ein jüngeres Publikum buhlt, das sich mehrheitlich im Streaming und in sozialen Medien tummelt. Oder der Sportkanal mit rund acht Millionen Euro jährlichen Kosten. Eine Diskussion über das Ausweichen auf digitale Kanäle sollte kein Tabu sein.

  • Organisation Mit seiner Wahl hat der ORF-General das komplexe Organigramm in der Führungsebene von seinem Vorgänger Alexander Wrabetz weitgehend übernommen. ORF-1-Chefin Stefanie Groiss-Horowitz ist offiziell für das Programm verantwortlich, sollte aber tunlichst ORF-2-Manager Alexander Hofer nicht in den Jobbereich pfuschen. Die Information von ORF 2 hat die News-Sendungen von ORF 1 übernommen. Die TV-Information wiederum ressortiert beim ORF-Generaldirektor. Schlankere Strukturen brächten Millionen.

  • ORF-Gebühren Dem ORF die Gebühren lassen und Bundes- bzw. Länderabgabe zu kürzen entspricht unterm Strich den von Raab gewünschten niedrigeren ORF-Gebühren.

  • Weiße Elefanten So nennen ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter Menschen mit hohem Einkommen und überschaubarer beruflicher Auslastung. Wie viele davon im ORF noch still vor sich hin tröten, ist nicht näher bekannt. Nach Infos aus dem Stiftungsrat kosten sie jährlich stolze sechs Millionen Euro. (Oliver Mark, Doris Priesching, 7.2.2023)