Vielleicht hilft das Rückenkratzen den Bären im Kampf gegen die Zeckenplage.

Foto: AP/Lisa Kunkel

Spätestens seit Walt Disneys "Dschungelbuch" weiß man, wie gerne Bären ihren Rücken an Bäumen reiben. Naheliegenderweise vermutet man in dem Verhalten eine Reaktion auf Juckreiz, aber in Wahrheit steckt viel mehr dahinter: Abgesehen davon, dass der Bär damit auch Geruchsnachrichten für Artgenossen hinterlässt, stellt das Reiben an der Baumrinde eine Art Selbstmedikation dar, wie ein polnisches Team nun im "Journal of Zoology" spekuliert. Die Tiere wollen damit ihre krankheitsübertragenden Zecken loswerden, und dabei hilft ihnen vor allem das Harz der Bäume.

Nicht nur Baloo genießt belaubte Rückenkratzer.
alina raducanu

Kommunikation per Baum

"Das Reiben der Braunbären an Bäumen wird allgemein als eine Form der chemischen Kommunikation angesehen", erläuterte Agnieszka Sergiel vom Polnischen Institut für Naturschutz und eine der Autorinnen der Studie. Diese Duftspuren hätten für die sozialen Interaktionen zwischen einzelnen Individuen in einem großen Verbreitungsgebiet eine entscheidende Bedeutung, sagte die Wissenschafterin.

Die verkündete Botschaft kann völlig unterschiedlicher Natur sein: Einmal ist es Werbung, um potenzielle Partner anzulocken, ein andermal wird mit der Duftspur die eigene Dominanz in diesem Sektor des Waldes kommuniziert. Bisweilen kratzen die Bären aber auch die Rinde regelrecht von den Bäumen, wodurch das klebrige Harz darunter freigesetzt wird, das sie sich schließlich ins Fell reiben. Wenn das passiert, dann dient das Harz möglicherweise der Abwehr von Parasiten, vermuten die Forschenden. Denn insbesondere Zecken halten offenbar wenig von den klebrigen Baumsäften im Fell von Meister Petz, wie das Team nun berichtet.

Ein Grizzly im Glacier National Park in Montana, USA, ging während des Rückenkratzens in die Fotofalle.
Foto: AP/U.S. Geological Survey

Selbstmedikation anderswo

"Zecken sind ein wichtiger Überträger für verschiedene Krankheiten", sagte Sergiel. "Unter den Wildtieren sind große Säugetiere besonders anfällig für einen Zeckenbefall." Interessanterweise sind Zecken aber bei wild lebenden Bären in vergleichsweise geringerer Zahl zu finden, selbst wenn andere Wildtiere durchaus unter den Blutsaugern leiden. Das liegt nicht nur daran, dass es recht schwierig ist, die kleinen Zecken im Fell eines großen Bären aufzuspüren. Laut Sergiel und ihrer Gruppe könnten das Reibeverhalten an Bäumen und das dabei aufgenommene Harz den Zeckenbefall in Zaum halten.

Ein vergleichbares Verhalten kennt man bereits von anderen Spezies. Madagassische Lemuren etwa kauen auf bestimmten Tausendfüßern herum, um auf diese Weise lästige Darmparasiten loszuwerden. Großtrappen wiederum befreien sich durch den Verzehr von Ölkäfern, die zu den giftigsten Insekten Europas zählen, von lästigen Parasiten. Und auch Delfine behandeln ihre Hautprobleme mit Naturheilmitteln, konkret mit dem Schleim von Korallenpolypen.

Juckt es nur, oder will der Bär hier etwas mitteilen?
Orphaned Wildlife Center

Um ihre Hypothese zu testen, setzten die Forschenden Zecken der Spezies Dermacentor reticulatus – eine weitverbreitete Art, die dafür bekannt ist, dass sie sich gerne an Bärenblut labt – Harz beziehungsweise Baumsäften aus. In kleinen Glasröhrchen brachten sie Proben der Baumsäfte mit den kleinen Spinnentieren in Kontakt und boten diesen auch eine Möglichkeit, sich in sauberem Wasser vor dem Harz in Sicherheit zu bringen. Diese Chance nutzten bei dem Experiment so gut wie alle Zecken.

Gesund und erfolgreich

"Es war ganz offensichtlich, dass sie diese Substanzen hassten", sagte Agnes Blaise, Biologin an der Universität Straßburg (Frankreich) und Koautorin der Studie, gegenüber der "New York Times". "Einige waren dabei sehr schnell, rannten regelrecht davon und versteckten sich unter Wasser."

Für die Wissenschafter lieferte das eigentlich simple Experiment jedenfalls einen deutlichen Hinweis darauf, dass Bären Baumharze als Mittel gegen Parasiten einsetzen. Mag sein, dass die Parasitenabwehr vielleicht nicht die primäre Funktion des Reibens an Bäumen ist, aber es könnte einen bedeutenden Zusatznutzen bringen. Denn wie frühere Beobachtungen nahelegten, haben Bären, die ihr Fell häufiger an Bäumen reiben, in der Regel einen höheren Fortpflanzungserfolg und einen besseren Gesundheitszustand. (tberg, 11.2.2023)