Im Gleichschritt zur Machtübernahme – im April 2021: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann (Kanzlerbeauftragter für Medien), Pressesprecher Johannes Frischmann und Bernhard Bonelli (Kabinettschef im Bundeskanzleramt).

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Wien – Die ÖVP lässt derzeit kaum eine Gelegenheit aus, um den ORF zu kritisieren. Die Daumenschraube hat Medienminister Susanne Raab (ÖVP) in der Hand: Sie verhandelt mit ORF-Generaldirektor Roland Weißmann die künftige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Raab verlangt vom ORF einen Sparkurs und einen nicht näher definierten "ORF-Rabatt". Da kommt eine ORF-Unterstützung für ein Kinoprojekt namens "Projekt Ballhausplatz" gerade recht.

ÖVP: "Linke Parteipropaganda"

ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger rückte am Wochenende via Aussendung aus, um sich auf den ORF und Kurt Langbein einzuschießen. Egger ortet die Unterstützung "linker Parteipropaganda", was dem gesetzlichen Programmauftrag des ORF widerspreche. "Nach allem, was man bisher weiß, wird das bloß eine links-linke Verleumdung gegenüber dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz", so der Mediensprecher der Volkspartei.

Produzent Langbein: "Eigenartiges Demokratie- und Medienverständnis" der ÖVP

Die Kritik kann Produzent Kurt Langbein nicht nachvollziehen. "Das berührt mich sehr eigenartig, dass eine Regierungspartei gegen einen Dokumentarfilm kampagnisiert, den sie gar nicht kennt, weil wir erst am Beginn der Produktion sind. Ich finde es auch ein eigenartiges Demokratie- und Medienverständnis, dass man Kritik für grundsätzlich unzulässig hält", sagt Langbein im Gespräch mit dem STANDARD.

Dass der ORF den Film fördere, sei falsch: "Er lizenziert und koproduziert den Film." Der ORF sichere sich um 50.000 Euro die Fernsehrechte im Rahmen des Film- und Fernsehabkommens.

Aufstieg und Fall

Der Dokumentarfilm "Projekt Ballhausplatz" soll im Herbst 2023 ins Kino kommen und "von Aufstieg und Fall einer Gruppe junger Politikerinnen und Politiker" erzählen. Für Buch, Regie und Produktion ist Kurt Langbein mit seiner Langbein & Partner Media verantwortlich. "Ich möchte erzählen, wie es dieser Kleingruppe junger Leute gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit an die Macht zu kommen, in der ÖVP alle Fäden in die Hand zu bekommen, und woran es dann gescheitert ist", sagt Langbein zum Inhalt des Films.

Strategiepapier zur Machtübernahme

Projekt Ballhausplatz bezeichnet ein im Nationalratswahlkampf 2017 aufgetauchtes Strategiepapier, mit dem Kurz bzw. seine Entourage um Gernot Blümel, Gerald Fleischmann, Bernhard Bonelli, Stefan Steiner oder Thomas Schmid die Übernahme der ÖVP-Parteiführung von Reinhold Mitterlehner, den Umbau zur türkisen "Neuen Volkspartei" und die ersten 100 Tage nach dem Einzug ins Kanzleramt minutiös geplant haben sollen.

Dass es eine Abrechnung mit Sebastian Kurz und der Volkspartei wird, wie das die ÖVP befürchtet, bestreitet Langbein: "Ich mache keine Abrechnungen, sondern ich möchte erzählen, wie es zu dieser Entwicklung rund um Sebastian Kurz kam. Ich habe nichts abzurechnen."

Kritik unerwünscht

Die Protagonistinnen und Protagonisten von damals vor die Kamera zu bekommen dürfte allerdings schwierig werden. Offiziell hat es das Projekt Ballhausplatz nie gegeben, und Langbein ist bereits mit Maulkörben konfrontiert. "Selbstverständlich würde ich gerne mit allen sprechen. Ich habe allerdings schon einige Antworten bekommen, die mich ein bisschen erstaunen. So in die Richtung: Sie werden doch nicht glauben, dass ich ein Interview für einen Film gebe, der kritisch gegenüber Sebastian Kurz ist", erzählt Langbein, ohne Namen nennen zu wollen. "Aus meiner Sicht ist das ein vorrepublikanisches Demokratieverständnis. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, Hofberichterstattung zu machen. Es liegt mir aber nicht im Sinne, irgendeine Abrechnung zu machen."

ÖVP kritisiert auch Förderung für "Bauer und Bobo"

Für ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger ist Langbeins Film nicht die "erste zu hinterfragende Finanzierung" des ORF, schrieb er in der Aussendung. "Der ORF hat vor zwei Jahren den Film von 'Falter'-Chefredakteur Florian Klenk, 'Bauer und Bobo', finanziert. Wieso, weiß bis heute niemand." Es brauche "völlige Transparenz, klare Kriterien und die Offenlegung der Finanzierung derartiger Projekte", so Egger.

Der Dokumentarfilm "Bauer und Bobo" wurde auch von Kurt Langbein produziert. Ob er auf die Kritik der ÖVP eingehen möchte? "Das richtet sich von selbst", so Langbein. (Oliver Mark, 13.2.2023)