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Weder Rosen noch Küsse: Sogenannte Work-Spouses pflegen eine freundschaftliche Beziehung am Arbeitsplatz.

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Anders, als der Name zunächst vermuten lässt, geht es bei der Ehe zwischen "Work-Spouses" nicht um eine Liebesbeziehung. Prominente Beispiele finden sich sowohl in der Öffentlichkeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und seinem damaligen Vize Joe Biden als auch in Fernsehen und Literatur mit Vorzeige-Büroeheleuten Donna und Harvey aus der Serie "Suits" oder Sherlock Holmes und Dr. Watson. Aber sind solche Arbeitsehen eine gute Idee?

Für: Gemeinsam durch den Arbeitstag

Kein Mensch würde wohl lange in einer Anstellung bleiben, würde sie oder er sich dort mit dem eigenen Team nicht gut verstehen. Eine Zeit lang hält man es vielleicht aus, aber auf lange Sicht ist eine Arbeitsatmosphäre ziemlich trist ohne gute Beziehungen mit Kolleginnen und Kollegen.

Ein Win-win ist es, wenn zwei Mitarbeitende von einer Kollegenschaft zu einer Freundschaft und irgendwann zu einer wirklich vertrauten Kombi übergehen. Immerhin ist man als Vollzeit arbeitende Person oft häufiger von Kolleginnen und Kollegen umgeben als von der eigenen Familie, Freunden oder von Lebensgefährten. Da ist es ein gutes Gefühl, seine persönlichen Geschichten, von dem Streit mit den Nachbarn oder den nächsten Reiseplänen einer Partnerin oder einem Partner auch bei der Arbeit erzählen zu können.

Gegenseitiges Verständnis

In vielen Unternehmen herrscht (Stichwort Leistungsgesellschaft) Druck und Ellbogenmentalität, Menschen wollen einander überholen, die Besten und Schnellsten sein. Eine Person zu haben, die einen zum Lachen bringt, hier und da mit kleinen Aufmerksamkeiten überrascht (jeder kennt die Kollegen, die immer Süßigkeiten mitbringen) oder die drei Kaffeepausen am Tag mit einem verbringt, versüßt die Arbeitszeit daher ungemein. Es ist nicht selbstverständlich, eine richtig gute Verbindung mit Kolleginnen und Kollegen aufzubauen, denn wer neu bei einer Stelle anfängt, kann sich das Team nicht aussuchen. Und bewiesen ist auch, dass die Leistungsfähigkeit und Motivation mit freundlichen, kollegialen und unterstützenden Mitarbeitenden steigt.

Vielleicht wäre es aber von Vorteil, die Bezeichnung "Arbeitsehefrau oder -mann" herunterzustufen auf "Freundschaft". Denn wenn es gar nicht darum geht, zu heiraten oder sich zu verlieben, kann der Begriff natürlich bei privat verheirateten Menschen in der Arbeit zu Verwirrung führen. Eine Freundschaft hingegen kann ebenfalls sehr tiefgründig und intensiv sein. Dafür braucht es nicht den Begriff "Ehepartner" – und man erspart sich den Ärger mit der Freundin, dem Ehemann oder der Liebesbeziehung zu Hause. Und Freundschaften sind auch mit dem Geschlecht möglich, in welches man sich verlieben kann. Auch in der Arbeit! (mera, 14.2.2023)

Wider: Bis der Job uns scheidet?

Erstmals verwendet wurde der Begriff "work spouses" von Faith Baldwin in den 1930er-Jahren, als er das Buch "The Office Wife" verfasste. Damals verstand man unter "work wife" eine Sekretärin, die ihrem Vorgesetzten Erledigungen abnahm, Geschenke für seine Kinder besorgte und wusste, wie er den Kaffee am liebsten trinkt. Also eine hierarchische Beziehung, aufgebaut nach einer traditionellen Rollenverteilung. Heute versteht man unter Work-Wife und Work-Husband zwar eine Beziehung ohne Machtgefälle, die Bezeichnung selbst wirkt jedoch wenig zeitgemäß.

Und kann dazu noch ziemlich irreführend sein – sowohl im Job als auch im privaten Umfeld. Während in der Belegschaft vermutet werden könnte, dass zwei Work-Spouses tatsächlich mehr verbindet als die Arbeit, kann die Bezeichnung in der eigenen Beziehung weniger gut aufgefasst werden. Dass so ein Verdacht nicht komplett unbegründet ist, zeigt eine Umfrage der Society for Human Resource Management. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, Gefühle für ihren Büroehepartner bzw. ihre Arbeitsehefrau entwickelt zu haben. Das könnte übrigens noch weiter bestärkt werden, wenn eine Freundschaft durch die Bezeichnung Ehe romantisiert wird.

Verschwimmende Grenzen

Nach acht Arbeitsstunden mehrere Tage die Woche gehen Work-Spouses häufig noch auf einen Feierabenddrink, zum Sport oder haben noch zu Hause auf dem Sofa via Messenger und Social Media Kontakt. In einer Umfrage der britischen Job-Website totaljobs.com, an der 4.000 Beschäftigte teilnahmen, sagte jede und jeder Zehnte, dass er nach Feierabend noch in Kontakt bleibe. Dabei ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich auch über die Arbeit unterhalten wird oder sich Personen auch in der Freizeit nicht richtig vom Job lösen können.

Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwimmt zwar schon seit Jahren immer stärker, eine Arbeitsbeziehung als Ehe zu betiteln könnte die Abgrenzung aber noch mehr erschweren. Sollten jegliche Beziehungen am Arbeitsplatz deshalb tabu sein? Keinesfalls. Doch während eine angenehme Arbeitsatmosphäre und gute Stimmung im Team wichtig für das Wohlbefinden im Job sind, braucht es dafür keine Arbeitsehen. Und wenn Freundschaften über einen Job hinausbestehen, gehen sie erst richtig in die Tiefe. (dang, 14.2.2023)