Im Gastblog stellt Peter Reischer die Maria-Magdalena-Kapelle von Sacher.Locicero.Architectes vor. Natur, Transzendenz und Architektur verbinden sich hier zu einer Einheit.

Eine Kapelle, wie sie nicht eindeutiger sein könnte – klein, hohes Satteldach, klarer Körper, Kreuz – und doch hat diese Architektur nichts Gewöhnliches, sondern sie ist aufregend und doch auch kontemplativ. Das mag durch den Verzicht auf jegliche modernistische Spielerei in der Ausdrucksform zustande kommen. Weit über die sanft-hügelige Landschaft mit den Weinfeldern hinweg ist die reinweiße Form sichtbar. Man nimmt sie, durch die schlanke hohe Dachform eindeutig als sakralen Bau, als Kapelle wahr. Die Proportionen sind wohltuend ausgewogen, auf dem goldenen Schnitt Leonardo da Vincis aufbauend, der Körper ist auf das Notwendigste reduziert, die beiden Stirnseiten fehlen – sie sind durch Glaswände ersetzt. Ein Bronzekreuz des tschechischen Künstlers Jaromír Gargulák steht in der Gebäudeachse einige Meter vor der Familienkapelle Maria Magdalena am Zollfeld in Kärnten.

Frontalansicht der Kapelle mit Bronzekreuz des Künstlers Jaromír Gargulák.
Foto: Paul-Ott

Erst bei der Annäherung an die Architektur zeigen sich auch die skulpturalen Elemente des Körpers aus perfekt geschaltem Weißbeton. In den Seitenwänden – mit einer konstruktiven Stärke von circa 30 Zentimetern – und im 7,80 Meter hohen Dach sind jeweils drei Fensterschlitze eingeschnitten. Die Verglasung der Öffnungen ist vom Kärntner Künstler Karl-Heinz Simonitsch gestaltet und stellt die Schöpfungsgeschichte dar. Die die Öffnungen vergrößernden Schrägen sind so angelegt, dass jeweils morgens und abends möglichst viel Sonnenlicht auf die farbigen Gläser trifft. Ein massives Doppelflügeltor aus handgeschlagener Bronze (ebenfalls von Gargulák gestaltet) an der dem Vorplatz zugewandten, ansonsten klar verglasten Westseite kann weit geöffnet werden und ermöglicht die Einbeziehung des Vorplatzes, um bei Feiern mit vielen Gästen ausreichend Platz zu haben.

Aufnahme der Kapelle im Winter.
Foto: Gerhard Sacher

Natur, die durch den Raum fließt

Im Inneren der Kapelle blenden die weißen Wände einen Großteil der umgebenden Kulturlandschaft aus, die freien, verglasten Schmalseiten ermöglichen einen sehr beruhigenden Blick in die (noch) unverbaute Natur. Den Horizont bildet der Magdalensberg mit seiner Wallfahrtskirche. Man hat das Gefühl, die Landschaft fließt durch den Raum hindurch, eine Verbindung mit der Unendlichkeit kann entstehen. Solcherart bietet sich die Möglichkeit der Kontemplation, Meditation und Besinnung – etwas, das nicht oft in modernen Sakralbauten zu finden ist.

Innenraum der Kapelle.
Foto: Paul-Ott

Die innere Gestaltung ist betont schlicht und puristisch gehalten. Das Weiß der Wände zieht sich in den hellen, travertinfarbenen Steinboden hinein. Mit entsprechendem historischem Wissen lässt sich das als Zitat an den für die Säulen des Petersplatzes in Rom verwendeten Stein verstehen. Auf jeden Fall entsteht so eine warme Grundstimmung. Eine einzige Stufe markiert im Kapellenschiff den Übergang zum Chor. Hier sind in den Wänden rechteckige Nischen eingelassen: Rechts befindet sich eine größere Nische, die als Standplatz für die namensgebende Maria-Magdalena-Statue dient, auf der linken Seite zwölf kleine Urnennischen. Als eventuelle Sitzmöblierung dienen herunterklappbare Bänke aus weiß gekalkter Eiche – sie verschwinden bündig in den Betonflächen der linken Seitenwand.

Formensprache und weicher Beton

Besonders als Architekturfan kommt man an dieser Kapelle nicht ohne weiteres vorbei. Sie fällt auf! Die Formensprache ist eindeutig, schlicht und ohne prätentiöse Attribute. Die perfekte handwerkliche Ausführung verdient auch einiges Lob: Ein selbstverdichtender Beton (SCC-Beton), der eine erheblich weichere Konsistenz als herkömmlicher Rüttelbeton aufweist, wurde verwendet. Er entlüftet selbsttätig durch die Wirkung der Schwerkraft und weist ein extrem gutes Fließverhalten auf. Eine aufwendig hergestellte Konstruktion aus Stahlträgern ermöglichte eine Schalungskonstruktion, welche die schalankerfreie homogene durchgehende weiße Betonkapelle ergab. Und mit ihrem strahlenden Weiß in der Landschaft zieht sie den Vorbeikommenden an und in sich hinein. (Peter Reischer, 16.2.2023)