Das Unternehmen Eliminalia behauptet, "unerwünschte oder fehlerhafte Inhalte" im Internet zu entfernen. Fast 50.000 interne Unternehmensdokumente, die der Investigativredaktion Forbidden Stories zugespielt wurden, werfen einen anderen Blick auf die reduzierte Darstellung.

Foto: GettyImages/Stockgood

Im August 2018 erhielt Daniel Sánchez, ein mexikanischer Enthüllungsjournalist, merkwürdige Anrufe und SMS zu einem Artikel, den er kurz zuvor veröffentlicht hatte. Wöchentlich kamen Nachrichten von einem lokalen Marketingvertreter namens Humberto Herrera Rincón Gallardo, wonach Sánchez nicht das Recht habe, bestimmte Namen zu nennen. Bald wurden die Drohungen intensiver. Die Forderung war klar: Nimm deinen Artikel herunter, oder wir werden rechtliche Schritte einleiten.

Sánchez gab jedoch nicht nach, und Gallardo beschritt knapp eineinhalb Jahre und mehrere gescheiterte Versuche später einen anderen Weg: eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung. Im Januar 2020 wandte er sich schriftlich an Digital Ocean, den Hosting-Provider von Sánchez' Arbeitgeber Página 66, und behauptete, der Journalist habe seine Inhalte illegal kopiert. Gallardos Anfrage enthielt einen Link zu einer Drittanbieter-Website, die eine Kopie von Sánchez' Artikel veröffentlicht hatte. Allerdings mit einem früheren Veröffentlichungsdatum und einem anderen Autor: Humberto Herrera Rincón Gallardo.

Dieses Mal ging die Strategie auf. Digital Ocean forderte Sánchez auf, seinen Artikel von der Website von Página 66 zu entfernen, andernfalls würde sie offline gehen. Sánchez legte bei Digital Ocean Einspruch ein, hatte aber keinen Erfolg. Schließlich gab er aus Angst, seine Leserschaft und seine Existenz als Journalist zu verlieren, nach und entfernte den Artikel.

Gallardo arbeitete nicht allein, sondern im Auftrag von Eliminalia. Das spanische Unternehmen für Reputationsmanagement bietet Dienstleistungen zur Löschung von Inhalten für Privatkunden an. Sánchez war einer von Hunderten von Journalisten und Bloggern weltweit, deren Arbeit zwischen 2015 und 2021 von Eliminalia gelöscht oder manipuliert wurde.

Globales Netzwerk für zwielichtige Kunden

Eliminalia behauptet, dass seine Dienste dabei helfen würden, "unerwünschte oder fehlerhafte Inhalte " zu entfernen. Fast 50.000 interne Unternehmensdokumente, die der Investigativredaktion Forbidden Stories zugespielt wurden, widersprechen aber dieser Darstellung. Die Akten legen nahe, dass Eliminalia für Kriminelle, Politiker unter Korruptionsverdacht, Spionagefirmen und womöglich Kunden aus der Unterwelt aktiv war. Dabei manipulierte das Unternehmen Online-Diensteanbieter, setzte das Urheberrecht als Waffe ein, um unliebsame Inhalte zu entfernen, und bedrohte Journalisten – alles mit einem Ziel: die Wahrheit zu verbergen.

Seit 2013 hat Diego "Didac" Sánchez, der Gründer von Eliminalia, ein webartiges globales Netzwerk aufgebaut. Bei der Überprüfung von Finanzunterlagen hat Forbidden Stories mindestens 50 Unternehmen in neun Ländern identifiziert, die mit Sánchez und seinem Geschäftspartner José Maria Hill Prados in Verbindung stehen. Die meisten dieser Unternehmen sind unter der Holdinggesellschaft Maidan Holdings in Miami registriert.

Einige der Kunden von Eliminalia zahlten viel Geld, um ihre digitale Vergangenheit löschen zu lassen. Ein französischer Unternehmer, dessen Unternehmen der Steuerhinterziehung beschuldigt wurde, zahlte 155.000 Euro. Ein anderer Kunde – ein israelisch-argentinischer Banker, der beschuldigt wurde, Geld für das Regime von Hugo Chávez gewaschen zu haben – zahlte fast 400.000 Euro.

Forbidden Stories hat zudem mehrere Kunden identifiziert, die mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen, darunter eine Person, die Verbindungen zur russischen Mafia haben soll, und einen bekannten spanischen Geschäftsmann, der mit Suchtgift gehandelt haben soll.

"Die legitimen Verwendungszwecke für diese Art von Reputationsmanagement sind gering im Vergleich zu den Vorteilen für korrupte Personen", erklärt Emma Briant, eine Forscherin am New Yorker Bard College, die sich mit Informationskrieg beschäftigt. "Es gibt viele Unternehmen, die sich auf diese Art von Dingen spezialisiert haben. Und ich denke, das ist wirklich schädlich, weil es für Menschen oft sehr schwierig ist, zuverlässige Informationen zu finden, weil sie einfach nicht mehr sichtbar sind", sagt Briant.

Perfide Strategie

Eliminalia und ähnliche Unternehmen erkannten, dass rechtliche Schlupflöcher in Datenschutzgesetzen als Waffe eingesetzt werden können, um Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Zwei Datenschutzgesetze – der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) und auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU – ließen sich leicht ausnutzen.

Die Strategie dahinter war einfach: Man kopierte einen Artikel, veröffentlichte ihn auf einer Website eines Drittanbieters – einem Blog oder einer gefälschten Website – mit einem früheren Datum als dem des Originals und behauptete, der ursprüngliche Artikel verstoße gegen den DMCA. "Es ist viel einfacher, als vor Gericht zu gehen. Es ist viel einfacher, als einen [Journalisten] zu finden und ihn mit einem Schraubenschlüssel zu schlagen. Wir schicken einfach eine Urheberrechtsmitteilung", erklärt Adam Holland, Forscher am Berkman Center for Internet & Society in Harvard.

Laut Holland stieg die Zahl solcher Takedown-Anfragen um 2012 herum "schnell und stetig", als digitale Marketingfirmen begannen zu lernen, wie man das System austricksen kann. "Ich garantiere Ihnen, dass beim Verfassen des DCMA nicht vorhergesehen wurde, dass es riesige Netzwerke osteuropäischer Bot-Armeen geben würde, die gefälschte Zeitungswebseiten erstellen, um Kritik zu unterbinden", sagt Holland.

Forbidden Stories fand heraus, dass solche Anfragen nur ein Werkzeug in einem größeren Arsenal von Taktiken waren. Eliminalia versuchte auch, Informationen zu verstecken, die nicht gelöscht werden konnten, etwa durch "Deindexierung". Darunter versteht man eine "Black Hat"-Marketingmethode, die darauf abzielt, Google zu täuschen, damit bestimmte Suchbegriffe aus den Webergebnissen ausgeblendet werden.

Ein letzter Akt des Verschwindens

Mittlerweile scheint Eliminalia seine eigenen Internetspuren gelöscht zu haben. Nach einem Rebranding derselben Fake-News-Seiten, die von Forbidden Stories mit Maidan Holdings in Verbindung gebracht worden sind, setzte Eliminalia am 16. Jänner einen vorerst letzten Akt: Das Unternehmen selbst benannte sich um. An der Tür des Co-Working-Büros in Barcelona, das Eliminalia einst beherbergte, steht jetzt "Idata Protection". Die von Forbidden Stories eingesehenen Unternehmensunterlagen bestätigen die Umfirmierung, die möglicherweise auf die negative Presse und die vorangegangenen Untersuchungen zurückzuführen ist.

Als zwei Mitglieder der Investigativredaktion das Büro besuchten, sagte ein Angestellter jedoch: "Die Firma heißt Idata Protection, aber wir gehören zu Eliminalia." Sánchez, der Gründer, befinde sich nicht mehr länger in Barcelona. Die Umbenennung deckt sich mit der Vergangenheit der Firma. Eliminalia sei eben Experte darin, "Probleme zu schaffen und sie dann zu lösen", sagt eine mit dem Unternehmen vertraute Quelle gegenüber Forbidden Stories.

Eliminalia beantwortete Fragen des Forbidden-Stories-Konsortiums nicht. Stattdessen erklärte eine von Eliminalia beauftragte Anwaltskanzlei, die Fragen demonstrierten einen "parteiischen und unehrenhaften Ansatz". Außerdem sei die gewährte Antwortfrist von einer Woche nicht ausreichend. (Phineas Rueckert von Forbidden Stories, Benjamin Brandtner, 17.2.2023)

Shawn Boburg ("Washington Post"), Kira Zalan (OCCRP), Lilia Saul Rodriguez (OCCRP), David Pegg ("The Guardian") und Joaquin Gil ("El País") steuerten Interviews und Recherchen bei.