Alles im Fluss am ORF-Teich, aber noch nicht den Bach hinunter: Wo der ORF-General dreistellige Millionenbeträge sparen will, verrät er seinen Stiftungsräten am Montag.

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Das Ende der GIS ist offiziell. Zu zahlen freilich ist weiterhin für den ORF, künftig sogar von mehr Menschen als bisher. Ab 2024 soll eine Haushaltsabgabe, fällig auch für Streaminghaushalte, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren.

Als Bedingungen für die Haushaltsabgabe formulierte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP): Die Abgabe muss pro Haushalt günstiger werden als das bisher von der GIS eingehobene Programmentgelt für den ORF – ohne Umsatzsteuer sind das derzeit 18,59 Euro im Monat. Und: Der ORF muss massiv einsparen. Kolportiert wird ein mehr als 300 Millionen Euro schweres Sparpaket, das ORF-General Roland Weißmann am Montag seinen Stiftungsräten in einer Sondersitzung des Finanzausschusses präsentieren soll.

Der ORF arbeitet, wie berichtet, seit Wochen an Sparmaßnahmen, kolportiert wird ein Volumen von mehr als 300 Millionen Euro bis Ende 2026.

Sparpotenzial GIS

Mit einer Haushaltsabgabe unabhängig von Empfang und Empfangsgeräten fällt ein gewichtiges Betätigungsfeld der ORF-Tochterfirma GIS weg: Außendienst und andere Aktivitäten, um herauszufinden, ob Nichtzahler der GIS tatsächlich auch keine "empfangsbereiten Rundfunkgeräte" daheim haben.

Die GIS hat derzeit rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie dürfte mit den Sparvorgaben des Ministeriums und der neuen Abgabe jedenfalls deutlich reduziert werden.

Die GIS hat derzeit einen Aufwand von rund 40 Millionen Euro im Jahr. Sie wickelt aber neben den Programmentgelten für den ORF samt Abgaben für Bund und Länder etwa auch Telekom-Befreiungen für den Bund ab. Ob sie künftig die Haushaltsabgabe und voraussichtlich weiterhin Länderabgaben wie für die GIS einhebt, ist offenbar noch nicht geklärt.

Auf dem Prüfstand: RSO, ORF Sport Plus, Flimmit

Nicht alle Angebote des öffentlich-rechtlichen Medienriesen sind schon vom bisherigen ORF-Gesetz vorgegeben. Damit sind sie logisches Thema für Sparüberlegungen.

  • RSO Das Radio-Symphonieorchester des ORF wird im Gesetz nur einmal erwähnt: Sein Fortbestand war 2010 bis 2013 Bedingung der Republik für die befristete Abgeltung von Gebührenbefreiungen an den ORF. Diese ist mit 2013 ausgelaufen. Das Orchester wird mit einem Aufwand von 8,5 bis zehn Millionen Euro pro Jahr verbucht. Seine Zukunft – jedenfalls im ORF-Budget – ist infrage gestellt.

  • ORF Sport Plus Der Sportkanal ist nur "nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit" vom Gesetz erlaubt. Aufwand: acht bis elf Millionen Euro pro Jahr. Die Bundessportorganisation Sport Austria sorgt sich um den ORF-Spartenkanal. "Es besteht die Gefahr, dass im Zuge der ORF-Einsparungspläne bei ORF Sport Plus massiv eingespart oder der Sender sogar zur Gänze eingestellt wird. Dagegen wird der österreichische Sport mit allen Mitteln ankämpfen", kündigt Präsident Hans Niessl an. Aber: Der ORF könnte einen Teil der Sportübertragungen, die derzeit im Spartensender laufen, auch in einem Hauptprogramm zeigen und ihm damit potenziell mehr Publikum bescheren. ORF 1, wo Sport im ORF-Hauptprogramm läuft, versucht ohnehin, vor allem untertags von US-Serienkaufware wegzukommen.

  • Flimmit und Fidelio Die Film- und Serienplattform und das Klassikportal des ORF (mit der privaten Unitel) stehen ebenfalls auf dem Prüfstand. Teile davon könnten in ein größeres neues Streamingangebot einfließen.

Strategiediskussion

ORF-interne Strategiedebatten der vergangenen Wochen über eine künftige Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Medienriesen mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro gingen weiter. Wären Kanäle für jüngere Zielgruppen wie ORF 1 oder FM4 nicht womöglich langfristiger als Streamingangebote aufgestellt?

Solche sehr grundlegenden Überlegungen dürften aber nicht aktuell sein: ORF 1 ist eine wesentliche Säule für Werbeeinnahmen des ORF. Und FM4 spielt eine wesentliche Rolle in den Überlegungen von Radiodirektorin Ingrid Thurnher für eine neue Flottenstrategie der ORF-Radiokanäle. Eine Möglichkeit für FM4 wäre eine Positionierung als jüngeres Ö3 – das Flankenschutz nach unten gegen Kronehit brauchen könnte.

Der Spartenkanal ORF 3 für Info und Kultur soll derzeit nicht infrage gestellt sein.

Die anstehende ORF-Novelle soll, wie Medienministerin Raab am Freitag unterstrich, auch mehr digitale Möglichkeiten für den ORF bringen. Der will eigene Formate für Streaming und Social Media produzieren dürfen.

ORF.at und weitere Onlineangebote des ORF stehen im derzeit gesetzlich definierten Rahmen ebenfalls unter der "Maßgabe wirtschaftlicher Tragbarkeit". ORF-General Roland Weißmann hat im Herbst angekündigt, das Textangebot auf ORF.at zugunsten von Videobeiträgen zu reduzieren. Private Medienhäuser sehen eine – schon jetzt verbotene – "zeitungsähnliche" Konkurrenz zu ihren Plattformen.

Sparen an Produktionen

Kurzfristig sparen kann der ORF insbesondere bei Produktionsaufträgen – was gemeinhin Österreichs Produzenten zu Protesten mobilisiert. ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ) kündigte "härtesten Widerstand" gegen einen "Kahlschlag" durch Sparmaßnahmen im ORF an, er will Kultur- und Sportinitiativen in den nächsten Wochen mobilisieren.

Wo und wie ORF-Generaldirektor Roland Weißmann beim ORF und dessen Angeboten sparen wird, erklärt er am Montag seinen Stiftungsräten in einer Sondersitzung des Finanzausschusses. 2024 soll die GIS 676 Millionen Euro einspielen. Eine auch günstigere Haushaltsabgabe mit einigen Hunderttausend Streaminghaushalten zusätzlich kann etwa ebenso viel bringen. Ohne sie (und Sparmaßnahmen) prognostizierte der ORF ab 2024 Verluste von bis zu 130 Millionen Euro pro Jahr. (fid, 18.2.2023)