Das westlichste Windrad in Österreich dreht sich am Plöckenpass in Kärnten. Der Branchenverband Österreichs Energie fordert einen Schulterschluss zwischen Bund und Ländern für einen schnelleren Ausbau.

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Neue Windräder, die sich in der Landschaft drehen, neue Solarpaneele, für die es große Flächen braucht: Bis vor kurzem lehnten viele Österreicherinnen und Österreicher den Ausbau der Erneuerbaren in ihrer Nachbarschaft ab. Ganz nach dem Motto "Not in my backyard" – das bezeichnet die Ablehnung neuer Infrastrukturprojekte in der eigenen Umgebung – war der Widerstand vielerorts groß, entsprechend schleppend läuft der Ausbau.

Im vergangenen Jahr hat sich die Stimmung jedoch schlagartig verändert, zeigt eine neue Umfrage des Gallup-Instituts im Auftrag des Branchenverbands Österreichs Energie. Mittlerweile finden 70 Prozent der Befragten, dass die erneuerbare Stromerzeugung in Österreich ausgebaut werden müsse.

"Politiker in Bund und Ländern können mehr Mut zu Energieprojekten und Flächenwidmungen fassen. Die Zustimmung der Bevölkerung ist da", kommentierte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreichs Energie. Es brauche einen Schulterschluss zwischen Bund und Ländern, um den Ausbau deutlich zu beschleunigen, betonte sie am Mittwoch bei der Präsentation der Umfrage.

Für knapp 60 Prozent geht Ausbau zu langsam

Diese wurde im November 2022 durchgeführt und ist bereits der zweite Durchgang im vergangenen Jahr. Normalerweise fragt der Branchenverband einmal jährlich ab, wie die Bevölkerung zum Erneuerbaren-Ausbau steht, doch das Ergebnis aus dem April hob sich so stark von den Vorjahren ab, dass sie testen wollten, ob es sich bloß um einen Ausreißer im Kontext des Angriffs Russlands auf die Ukraine handelte, erklärte Schmidt. Die Zustimmung blieb jedoch weiter hoch.

Außerdem geht für knapp 60 Prozent der Befragten der Ausbau der Erneuerbaren zu langsam. 23 Prozent meinten hingegen, das Tempo sei genau richtig. Und immerhin acht Prozent geht der Ausbau zu schnell. Photovoltaik, Geothermie und Wasserkraft stoßen auf die höchsten Akzeptanz – knapp über 80 Prozent der Befragten meinen, diese Energiequellen sollen am stärksten genutzt werden. Rund 75 Prozent geben Windkraft denselben hohen Stellenwert.

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Nachfrage nach neuen PV-Zählpunkten schießt nach oben

Das gestiegene Interesse für Erneuerbare spiegelt auch die Anzahl der Anfragen nach neuen Zählpunkten für die PV-Einspeisung. Sie hat sich im vergangenen Jahr von über 44.400 im Jahr 2021 auf mehr als 171.800 vervierfacht. Damit gibt es mittlerweile rund 217.800 Zählpunkte in Österreich.

Damit die Energiewende gelingen kann, müsse auch der Netzausbau deutlich schneller gehen, betonte der Präsident des Branchenverbands und Verbund-Chef Michael Strugl. Neben dem langsamen Netzausbau nennt Strugl einerseits die fehlenden Flächenwidmungen und andererseits die Verfahrensdauer als größte Problemzonen. Letzteres sei mit der Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bereits verbessert worden, doch brauche es jetzt auch eine Beschleunigung für alle Projekte, die unter die UVP-Schwelle fallen.

"Überwiegendes" Interesse am Erneuerbaren-Ausbau

Nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) brauche es jetzt ein starkes Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, forderte Strugl weiter. Die EU-Verordnung dazu gibt es schon – sie spricht von einem "überwiegenden" öffentlichen Interesse, der österreichische Entwurf hingegen nur von "hohem" Interesse. Das müsse angepasst werden, kritisierte Stugl – Projekten von "überwiegendem Interesse" müssen Behörden nämlich Vorrang geben.

Vor allem aber hake es beim Zusammenspiel von Bund und Ländern, sagte er weiter. "Wir brauchen ein neues Modell der Kooperation. Ohne neue Flächenausweisungen können die Projekte nicht realisiert werden." Etwa könnten neue Anreize für Bundesländer geschaffen werden.

Es könne nicht sein, dass einzelne Bundesländer sich komplett gegen eine Erneuerbaren-Technologie stemmen, ergänzte er – wohl in Richtung der westlichen Bundesländer, in denen bislang keine Windräder aufgestellt wurden. Das derzeit westlichste Windrad in Österreich dreht sich am Plöckenpass in Kärnten. (Alicia Prager, 22.2.2023)