Kai Jan Krainer, roter Fraktionschef im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss, legte den Bericht "So korrupt ist die ÖVP" vor.

APA/Helmut Fohringer

Zehn Tage nachdem Wolfgang Sobotka (ÖVP), Nationalratspräsident und Vorsitzender des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, den Fraktionen den vorläufigen Schlussbericht zum U-Ausschuss übermittelt hat, zog die SPÖ Freitagvormittag nach. Der auf einem Vorschlag von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl fußende 500 Seiten starke Schlussbericht hatte vergangene Woche nicht nur bei Kai Jan Krainer, dem roten Fraktionsführer im U-Ausschuss, für Kritik gesorgt. "Eine erhebliche Einschränkung der Pressefreiheit" ortete dieser, weil in dem Bericht auch empfohlen wird, dass Medien nicht mehr aus Anklagen oder anderen Dokumenten zitieren sollen dürfen, solange die Anklage nicht öffentlich oder das Verfahren beendet ist.

Bei einer Pressekonferenz legte Krainer nun den 56-seitigen Bericht der roten Fraktion mit dem Titel "So korrupt ist die ÖVP" vor. "Ja, wir haben es hier mit systematischer Korruption zu tun und nicht mit irgendwelchen Einzelfällen", fasste Krainer das Ergebnis der Arbeit im Untersuchungsausschuss und des roten Berichts zusammen. Dieses System sei etwa im Bereich der Umfragen zu sehen. Krainer verweist in diesem Zusammenhang auf das Beinschab-Österreich- sowie das Demox-Unterhuber-Tool – in beiden Fällen seien von der ÖVP parteipolitisch motivierte Umfragen in Auftrag gegeben und mit Steuergeld bezahlt worden. "Das ist ganz klarer Missbrauch von Steuergeldern", sagte er.

Den Umgang der ÖVP mit Steuergeldern kritisierte Krainer auch an anderer Stelle scharf und brachte hier etwa Teilorganisationen der ÖVP in Vorarlberg ins Spiel. Wie berichtet, muss der Wirtschaftsbund Vorarlberg über 770.000 Euro an Steuern nachzahlen, der Vorarlberger Seniorenbund fast 200.000 Euro. Das Bild sei immer dasselbe, so Krainer: Die ÖVP bezahle Steuern, die sie zahlen müsste, nicht und hole sich Steuergeld, das ihr nicht zustehe, Stichwort Covid-Hilfen.

Harsche Kritik hagelte es von Krainer auch dafür, dass die ÖVP den "Reichsten der Reichen" dabei helfe, weniger Steuern zu zahlen, als es das Gesetz vorsieht, und Auftragsvergaben sowie Personalentscheidungen in einer Art und Weise ablaufen, dass in aller Regel ÖVP-nahe Firmen und Personen zum Zug kommen. Die Ergebnisse stünden immer schon vor der Ausschreibung fest, so Krainer. Kein Posten könne so klein sein, dass die ÖVP nicht dennoch "alle Hebel in Bewegung setzt, dass es einer von ihnen wird". Das sei "quer durch die Ministerien" zu sehen.

"Noch nie erlebt in diesem Parlament"

"Was hat die ÖVP aus diesem U-Ausschuss gelernt?", fragte Krainer und beantwortete seine Frage daraufhin selbst: "Ich glaube, viel zu wenig." Am Umgang der Volkspartei mit Parlament und Justiz habe sich "nichts geändert". Empört zeigte sich Krainer über das Vorgehen der ÖVP im U-Ausschuss, er sprach von "Destruktivität" und "Zerstörung von Parlamentarismus". Derlei habe er zuvor "noch nie erlebt in diesem Parlament".

Positiv sieht der rote Fraktionschef hingegen, dass mitunter auch Beamte und Staatsanwälte als Auskunftspersonen in den U-Ausschuss geladen waren, "die sich durch politischen Druck nicht biegen oder brechen lassen", und dass "eine Reihe von politischen Akteuren die Bühne verlassen haben". Namentlich nannte er etwa Ex-Kanzler Sebastian Kurz und mehrere seiner Vertrauten. Positiv sieht Krainer zudem zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für weniger Korruption und mehr Sauberkeit in der Politik starkmachen.

Damit es in diesem Land tatsächlich zu "weniger systematischer ÖVP-Korruption kommt", brauche es Krainers Ansicht nach eine "schonungslose Aufarbeitung", die die ÖVP nach wie vor blockiere. Er forderte außerdem die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, die Ausdehnung der Dokumentationspflichten und eine Reform der Verfahrensordnung im U-Ausschuss. Der rote Bericht sei "ohne Anspruch auf Vollständigkeit", denn es könne "niemand vollständig die ÖVP-Korruption in diesem Land dokumentieren".

Die Grünen waren die Ersten

Schon einen Tag nach Ende der Beweisaufnahme am 1. Februar legte Fraktionsführerin Nina Tomaselli den grünen Bericht zum ÖVP-U-Ausschuss mit dem Titel "Akribisches Protokoll einer großen Täuschung" vor. Der Bericht enthält auf 91 Seiten die Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss und die Sichtweise der grünen Fraktion dazu.

"Wir haben sehr genau aufgezeigt, wie ein keiner Kreis um Ex-Kanzler Sebastian Kurz die Öffentlichkeit getäuscht hat", resümierte Tomaselli Anfang Februar. Das sei etwa mit manipulierten Umfragen wie dem Beinschab-Österreich-Tool und einem ähnlichen System rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund erfolgt.

Wie es jetzt weitergeht

Noch bis 1. März haben ÖVP, FPÖ und Neos Zeit, ihre Fraktionsberichte abzugeben. Danach werden diese den Auskunftspersonen vorgelegt, die dann zwei Wochen Zeit haben, dazu noch ergänzende Kommentare abzugeben. Offiziell beendet wird der U-Ausschuss dann durch die Vorlage der Berichte an den Nationalrat. Die erste Plenarsitzung nach Fristende findet am 29. März statt.

Wie rasch ein neuer U-Ausschuss eingesetzt wird und zu welchem Thema, steht derzeit noch in den Sternen. Die SPÖ ist – zumindest vorerst – nicht für einen von der FPÖ angestrebten Corona-U-Ausschuss zu haben. Bei einem entsprechenden Antrag im Nationalrat kommende Woche werde die Sozialdemokratie nicht mitgehen, erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner diese Woche in der "Kleinen Zeitung". Für einen U-Ausschuss nach Minderheitenrecht ist ein Viertel der 183 Nationalratsabgeordneten nötig. Die FPÖ zählt 30 Mandatare und braucht daher die SPÖ, um auf die nötigen 46 Mandatare zu kommen. (Sandra Schieder, 24.2.2023)