Vor drei Jahren noch fühlte sich für die meisten von uns Geschichte an wie eben Geschichte: vergangen. Spätestens seit der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine ist aber allen klar: Die Welt, wie wir sie kennen, verändert sich rasant. Auch weltpolitisch.

Wir sind Zeuginnen und Zeugen einer Zeit, in der die weltpolitischen Karten auch auf dem Schlachtfeld neu gemischt werden. Wie nach dem Fall der Berliner Mauer, nach den beiden Weltkriegen, nach der Revolution 1848. Die Liste lässt sich lange fortsetzen. Die Erkenntnis: Nichts währt ewig.

Hat die Invasion in der Ukraine nie verurteilt: Chinas Staatschef Xi Jinping mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Foto: AP/Alexei Druzhinin

Wie umfangreich die Umwälzungen letztlich werden, ist aktuell noch nicht abzusehen. Ein Jahr nach der russischen Invasion in der gesamten Ukraine ist aber klar, dass auf diesem Territorium eine neue weltpolitische Machtverteilung ausgespielt wird. Und Europa muss aufpassen, dabei nicht zum Statisten zu verkommen.

Chinesischer Friedensplan

Der chinesische Friedensplan, den Peking nun auf den Tisch gelegt hat, ist nur ein Symptom dafür. Nicht nur die USA oder Europa haben den Anspruch, in internationalen Konflikten die Regeln festzulegen. Auch die Türkei und jetzt eben China versuchen sich als Player und kämpfen mittlerweile um ihren Platz in der ersten Reihe. Und das längst nicht nur mehr auf wirtschaftlichem Terrain.

Offiziell wollen sie eine "multipolare Weltordnung", eigentlich geht es ihnen aber darum, selbst vermehrt mitzumischen. Chinas Position gegenüber Russland ist von genau diesen Interessen geprägt. Deswegen hat die Staatsführung in Peking die russische Invasion in der Ukraine nie verurteilt. Auch bei der aktuellen Abstimmung in der Uno-Vollversammlung hat sich China strategisch enthalten. Gleichzeitig verlangt Peking in seinem am Freitag vorgelegten "Friedensplan" die Aufrechterhaltung der "Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Länder". Eine Formulierung, die China als Vermittler empfehlen soll.

Dabei ist die aufstrebende Großmacht ein recht zweifelhafter Vermittler. Zwar beliefert Peking Moskau – noch – nicht direkt mit Kriegsgerät, aber es verhindert auch nicht, dass Nordkorea die Russen militärisch ausstattet. China als Nordkoreas Schutzmacht wird sogar unterstellt, selbst Absender der Lieferungen zu sein. Zugeben würde Peking das natürlich nie und nimmer.

Gleiches gilt für den Iran, der Russland mit Experten, Drohnen und ballistischen Raketen beliefert. Auch Teheran ist – geschwächt durch westliche Sanktionen – von China abhängig. Eine Neubelebung des Wiener Atomabkommens, mit der Sanktionslockerungen einhergehen könnten, liegt auf Eis. Dem Iran mit seinem wachsenden Atomprogramm bleibt nichts anderes als die Oststrategie.

Aufstieg zur Großmacht

Dass sich China auf dem Weg zu einer zentralen Großmacht des 21. Jahrhunderts befindet, ist keine neue Erkenntnis. Dass es durch eine zentrale Rolle im Ukrainekrieg aber auch erstmals politisch – nicht nur wirtschaftlich – in Europa mitbestimmen könnte, ist besorgniserregend. Europa bleibt nichts anderes übrig, als sich weiter nachhaltig aufzurüsten, um seinen Interessen auch machtpolitischen Nachdruck zu verleihen.

Napoleon soll gesagt haben: "China ist ein schlafender Löwe, lasst ihn schlafen! Wenn er aufwacht, verrückt er die Welt." China ist längst aufgewacht und sieht die Erfüllung seines Traums, an frühere ruhmreiche Zeiten anzuknüpfen, durch den Krieg in der Ukraine beschleunigt. (Manuela Honsig-Erlenburg, 24.2.2023)