Eine kuschelige Jacke für Männer – ist doch feiner als eine identitäre Zwangsjacke.

Foto: HUM / celebrity; people; fashion

Dass ich einer bin, sollte Ihnen mittlerweile klar sein. Aber Kriegsdienstverweigerer natürlich auch. Sojamilchtrinker. Kinderwagenschieber und Tragetuchwickler. Pflanzenfresser. Rockträger. Softie. Offenbar ist der Rapper A$AP Rocky auch einer. Die Rede ist von Pantoffelhelden. Männern also, die sich von ihren Ehefrauen oder Partnerinnen beherrschen lassen und insbesondere im häuslichen Bereich keinerlei Macht und Einfluss haben. Männern, die unter der Fuchtel ihrer Frauen stehen. Deren Frauen sie "an der Möse haben".

A$AP Rocky ist auch so einer, weil er sich die Nägel machen lässt. Weil er sich vegan ernährt und für Mode interessiert. Weil er auf einem Coverfoto der Modezeitschrift "Vogue" das gemeinsame Baby von ihm und seiner schwangeren Freundin Rihanna trägt, während sie ihm vorausgeht.

Deshalb sieht er sich mit einer alten Frage konfrontiert, mit der zum Beispiel auch immer wieder lesbische Frauen belästigt werden: "Wer von euch beiden ist denn jetzt der Mann in der Beziehung? Weil, verstehste, ihr seid ja zwei Frauen, und da muss ja eine die Männerrolle übernehmen. Und dieser Typ, von dem sich Rihanna hat anbuffen lassen, das ist so ein Lutscher, der ist doch gar kein richtiger Mann. Deswegen ist sie der Kerl in der Beziehung. Sie verdient ja sowieso mehr Geld als er."

Meine Güte, ist das unlustig und langweilig. Der Vorwurf der Unmännlichkeit wird ein ums andere Mal erhoben, wenn es darum geht, Männer zu blamieren und zu diskreditieren. Denken Sie sich einen Zusammenhang aus, in dem diese Taktik angewendet wird, der Ihnen möglichst lächerlich und überzogen erscheint. Haben Sie ein Beispiel? Ist es bescheuerter als die Idee, der Theme-Song "Writing's on the Wall", den Sam Smith zum "James Bond"-Film von 2015 beigetragen hat, habe den Protagonisten und das ganze Franchise irgendwie entmännlicht?

Oder die Idee, dass es für Männer unmännlich sein könnte, ein Bad zu nehmen. Falls ja, hätte ich noch ein paar. Ich haue Ihnen einfach drei, vier weitere Beispiele um die Ohren, bis wir eines finden, von dem Sie überzeugt sind, dass das unmöglich jemand ernsthaft glauben kann. Und dann zucke ich auf der anderen Seite dieser Kolumne bedauernd die Schultern und sage: "Leider doch!" Sich über diesen verbissenen Männlichkeitsfanatismus lustig zu machen ist im Prinzip genau mein Ding. Als Pantoffelheld bewerfe ich andere gerne mit Pantoffeln.

Verdacht auf "unmännliche Umtriebe"

Aber heute machen wir das anders. Wir spekulieren einfach mal auf und über eine Alternative: Ich habe lange, sehr lange darüber nachgedacht, was Männlichkeit ist und was sie sein könnte. Wenn Sie sich den Status quo massentauglicher Männlichkeit vergegenwärtigen wollen, müssen Sie einfach nur die Nachrichten lesen. Mit Menschen sprechen. Aufmerksam beobachten. Während Männlichkeit bisweilen auf großartige, bezaubernde, liebevolle und einnehmende Weise in Männern wirkt, ist sie leider viel zu oft eine Zumutung. Nicht nur, aber nicht zuletzt für ebenjene Männer, deren Leben sie durch Lügen und falsche Versprechungen verzerrt und misshandelt.

Wie wäre es stattdessen, wenn der Verdacht auf "unmännliche Umtriebe" Männer nicht andauernd in selbstverleugnende, panische und gewalttätige Ecken peitschen würde? Männlichkeit könnte der Funken sein, den wir in Jungen entzünden, damit er in Männern leuchtet. Dann wäre Männlichkeit nicht länger eine identitäre Zwangsjacke, sondern ein Identitätsraum, in dem alles verhandelt, stattfindet, entwickelt, erstritten und besprochen wird, was Männer ausmacht: wie sie reden, wie sie lieben, wie sie hassen. Streiten, küssen, trösten, kämpfen, vergeben.

Vielleicht ist es an der Zeit, dem berühmten Zitat der Feministin Laurie Penny ein Äquivalent an die Seite zu schreiben. In "Fleischmarkt" formuliert sie: "Wenn alle Frauen dieser Erde morgen früh aufwachten und sich in ihren Körpern wirklich wohl und kraftvoll fühlten, würde die Weltwirtschaft über Nacht zusammenbrechen."

Also dann: Wenn alle Männer dieser Erde morgen früh aufwachten und sich sicher, geborgen und bestärkt darin wüssten, dass sie sich selbst und andere nicht verletzen sollten, es wäre eine bessere Welt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten allzeit warme Pantoffeln. (Nils Pickert, 2.3.2023)