In einem Monat nahmen bereits 16 Mädchen psychotherapeutische Plätze in Anspruch. Die Nachfrage sei groß, sagte Maria Rösslhumer, Leiterin des Projekts (Mitte).

Foto: BAKHTI Zentrum

In Österreich erlebt jede dritte Frau ab dem 15. Lebensjahr mindestens einmal im Leben sexuelle oder körperliche Gewalt. Die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote ist 2022 um sieben Prozent auf rund 14.600 gestiegen. Und an der Spitze dieser Gewalt stehen Mordversuche und Femizide: Allein in den ersten zwei Monaten des Jahres 2023 wurden sechs Frauen hierzulande von Männern getötet – der jüngste Fall ereignete sich am Mittwoch. Dass es angesichts dieser Ausmaße noch immer zu wenige Mittel für Gewaltschutz gibt, kritisieren Frauenschutzorganisationen seit langem.

Ein Stück weit entgegenwirken soll diesem Umstand nun das "Bakhti – Zentrum für Empowerment für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen" in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus, das vom Sozialministerium gefördert und vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser sowie der Wiener Interventionsstelle betrieben wird. Das Projekt richtet sich an 14- bis 21-jährige Mädchen und junge Frauen, die bereits direkt oder indirekt Gewalterfahrungen durchleben mussten. Auch für Burschen gibt es Angebote.

Verstärktes Angebot für Mädchen

Benannt wurde das Projekt nach einem afghanischen Mädchen namens Bakhti, das in seiner Familie massiver Gewalt ausgesetzt war – durch den Vater und Bruder. Als das Mädchen 2017 versuchte, sich von diesen zu lösen, wurde es vom Bruder ermordet. Bakhti wurde 17 Jahre alt.* "Eine mutige, junge Frau, die sich nicht länger der patriarchalen Gewalt in der Familie aussetzen wollte", sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) bei der Vorstellung des Projekts vor Medienvertreterinnen.

Ein Einzelfall sei Bakthi hier nicht: "Unter den vielen Femiziden sind immer wieder junge Mädchen, die nicht wissen, wie sie aus gewalttätigen Familien oder ersten Beziehungen herauskommen sollen", sagt Maria Rösslhumer, Leiterin des Projekts und Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. Um Mädchen in solchen Situationen aufzufangen und zu unterstützen, sei das Projekt ins Leben gerufen worden. Mit rund sieben Millionen Euro will das Sozialministerium nun die "Versorgungslücke schließen". Prävention sei letztlich "der Hebel, den wir haben", so der Minister.

Von Psychotherapie bis Workshops

Das Angebot legt den Fokus auf Beratungen und kostenlose Psychotherapien. Aber es umfasst auch ein "Mädchen*Café" sowie Workshops zu Gewaltprävention, Theater, Yoga und kreativer Gestaltung. Seit einem Monat ist das Zentrum schon geöffnet, erzählt Rösslhumer. Daher könne sie berichten, dass das Programm bereits gut angenommen werde, insbesondere die Psychotherapien. "Aktuell sind 16 Mädchen in psychotherapeutischer Betreuung." Aber es kämen laufend Anfragen herein.

Ein Ziel sei, dies künftig auch jungen Männern zu ermöglichen. Diese hätten in ihrem Umfeld oft gewalttätige Männer als Vorbilder und seien "in einem Kreislauf gefangen", meinte Jan Obradovic, Sozialpädagoge und Koordinator für die Burschenarbeit. Die Zweitschiene "Empowerment gegen Gewalt. Angebote für Burschen" setze daher auf die Vermittlung gleichberechtigter Geschlechterbilder.

Fokus auf Jugendliche mit Fluchterfahrung

Besonders im Fokus stehen Jugendliche mit Fluchterfahrung oder Migrationshintergrund, da diese oft mehrfach benachteiligt würden. "Wien hat viele Angebote für Jugendliche, aber kaum spezifische Einrichtungen für diese Zielgruppen", sagte Rösslhumer. Oft werde übersehen, dass auch das Miterleben von Gewalt an nahen Bezugspersonen langanhaltende Auswirkungen auf das spätere Leben von jungen Menschen habe, sagte Nicole Krejci, interimistische stellvertretende Geschäftsführerin der Interventionsstelle.

Für die Rednerinnen und Redner auf der Pressekonferenz wäre es jedenfalls wünschenswert, wenn auch in den Bundesländern Projekte wie Bakthi geschaffen würden. "Der Bedarf ist gerade in den ländlichen Gebieten da. Wir haben dort nur Frauenberatungsstellen", sagt Rösslhumer mit Verweis auf den Fall eines ermordeten Mädchens im Tiroler Kitzbühel. Bedenke man die hohen Folgekosten von Gewalt für den Staat, die laut einer Studie 3,7 Milliarden Euro pro Jahr betragen, so werde deutlich, wie wichtig Präventionsarbeit hier wäre. Und wie viel mehr Geld in diesen Bereich fließen müsste, sagt die Leiterin. (etom, APA, 2.3.2023)