Vor allem die Preise für Lebensmittel befeuern die Inflation.

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Josef Baumgartner, Ökonom beim Wifo.

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Joel Tölgyes, Ökonom beim Momentum Institut.

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Hanno Lorenz, Ökonom bei Agenda Austria.

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Die Teuerungsrate in Österreich betrug im Februar laut Schnellschätzung der Statistik Austria 11,0 Prozent. Ursache für die extrem hohe Inflationsrate sind höhere Preise bei Nahrungsmitteln, Haushaltsenergie und Bewirtung. Zu Jahresbeginn hatte der Preisauftrieb mit 11,2 Prozent noch den höchsten Wert seit 1952 erreicht. Aber wieso ist die Teuerung in Österreich besonders hoch? Und, vor allem, wann wird sie wieder nachlassen? DER STANDARD hat bei Experten nachgefragt.

Warum ist die Inflation ausgerechnet in Österreich so hoch?

Josef Baumgartner (Wifo):

Ein Hauptgrund dürfte 2022 ein nachfrageseitiger Inflationsbeitrag sein. Der private Konsum wurde durch staatliche Hilfen stark gestützt. In einer Situation mit Angebotsbeschränkungen wegen Lieferkettenproblemen und Arbeitskräftemangel trägt damit die Nachfrage auch zur Inflation bei. Zum Jahresbeginn ist in Österreich der Inflationsbeitrag der Haushaltsenergie noch einmal gestiegen, wohingegen im Euroraum dieser Beitrag seit November abnimmt.

Joel Tölgyes (Momentum Institut):

Das liegt daran, dass die Politik jeweils unterschiedlich reagiert hat. Österreich hat auf Transferleistungen gesetzt, Spanien hat bei Mieten oder Strom die Preise gedeckelt. Daher haben Unternehmen weniger hohe Stromkosten und müssen ihre Preise weniger stark erhöhen. Hätte auch Österreich so gehandelt, wäre die Inflation 2022 um zwei Prozentpunkte tiefer ausgefallen. Zudem haben in Österreich die Unternehmen die Gewinnmargen stärker erhöht.

Hanno Lorenz (Agenda Austria):

Der Staat reagierte mit breitflächigen Hilfsprogrammen, die zielgerichteter hätten sein müssen. Hinzu kommen unsere starke Abhängigkeit vom russischen Gas und die teuer eingelagerten Mengen an Gas. Auch merken wir bereits Zweitrundeneffekte aus höheren Produzentenpreisen und starken Lohnabschlüssen. Viele Länder haben stärker in die Preisbildung eingegriffen. Das führt kurzfristig zu niedrigerer Inflation, schafft langfristig aber viele Probleme.

Was braucht es, um diese hohe Teuerungsrate wieder in den Griff zu bekommen?

Josef Baumgartner (Wifo):

Einkommensstützende Maßnahmen sollen nur an Haushalte gehen, die sie wirklich brauchen. Die obere Einkommenshälfte kann Kaufkraftverlust selbst stemmen. Bei der Preisgestaltung der Haushaltsenergietarife hat die öffentliche Hand als Mehrheitseigentümerin (oft über 75 Prozent) ihren Einfluss bisher kaum geltend gemacht. Die europäische Geldpolitik sollte Zweitrundeneffekte der hohen Inflation im Vorjahr über ihre Preis-Lohn-Wirkung im Fokus behalten.

Joel Tölgyes (Momentum Institut):

Preissignale sind mittel- und langfristig sehr wirksam, bei hohen Mieten wird viel gebaut. Kurzfristig sind Preisbremsen in einer extremen Inflationssituation temporär in bestimmten Bereichen sinnvoll. Etwa bei Energie, weil hohe Preise durch die Wirtschaft sickern. Bei Mieten sollte man überlegen, wie sinnvoll eine Erhöhung über die Inflation ist. Bei einer Bindung an einen Tariflohnindex könnten Mieten nicht stärker steigen als die Einkommen.

Hanno Lorenz (Agenda Austria):

Es ist die Aufgabe der Geldpolitik, Preisstabilität zu gewährleisten. Die EZB muss also weiter Zinsen anheben, um Inflationserwartungen zu senken. Die Regierung sollte nur jenen helfen, die wirklich Hilfe brauchen. Alles darüber hinaus ist politisch opportun, heizt die Inflation aber weiter an. Auch Preiseingriffe sind falsch. Der Staat sollte auf die Einhaltung des Wettbewerbs drängen und bei den eigenen Lohnabschlüssen eher als Bremse denn als Zugpferd agieren.

Wann ist zu erwarten, dass die Inflation wieder deutlich nachlässt?

Josef Baumgartner (Wifo):

Mittlerweile sind Mineralölprodukte wieder billiger, wodurch ab März/April ein deutlich niedriger Inflationsbeitrag zu erwarten ist. Gleiches gilt ab Mai/Juni für Waren im VPI, da die Erzeugerpreise von Konsumgütern bereits wieder rückläufig sind. In arbeitsintensiven Bereichen wie bei Dienstleistungen wirken die höheren Arbeitskosten noch preiserhöhend. Unterm Strich sollte die Inflation ab dem zweiten Quartal und besonders in der zweiten Jahreshälfte sinken.

Joel Tölgyes (Momentum Institut):

Bei vielen Großhandelspreisen sieht man eine Entspannung, die Gaspreise sind schon gesunken. Die Frage ist, wann das bei den Verbrauchern ankommt. Bei Haushaltsenergie gibt es zum Beispiel ein paar Monate Verzögerung. Und wird es überhaupt weitergegeben? Mehrkosten werden auf die Preise übergewälzt, geringere Kosten oft nicht. In den nächsten Monaten sollte aber ein Basiseffekt eintreten, da die Vergleichswerte des Vorjahres immer höher ausfallen.

Hanno Lorenz (Agenda Austria):

Dass die Inflation länger bleiben wird, ist mittlerweile auch bei der Zentralbank in Frankfurt angekommen. Wir werden heuer noch sehr hohe, aber auch in den kommenden ein bis zwei Jahren noch Inflationsraten über dem Stabilitätsziel von zwei Prozent sehen. Je mehr sich die EZB ihrer Verantwortung bewusst ist und je weniger die Regierung Wahlgeschenke verteilt, desto schneller erreichen wir das Ziel einer sinkenden Teuerungsrate. (Andreas Danzer, Alexander Hahn, 2.3.2023)