Das Lernen wird 2050 noch stärker von Technologien geprägt sein, völlig ohne Präsenzphasen wird es aber nicht gehen, meinen Schülerinnen und Schüler.

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Technologie hält immer stärker Einzug in die Klassenzimmer. Im aktuellen Bildungsbericht der Nachhilfeplattform Gostudent wurden Schülerinnen und Schüler diesmal auch gefragt, wie sie sich den Unterricht und auch die Klassenzimmer im Jahr 2050 vorstellen.

Einig sind sich die rund 6.150 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zehn und 16 Jahren aus sechs europäischen Ländern darüber, dass bis 2050 technologiebasierter Unterricht noch stärker angewendet werden wird. 40 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler aus Österreich sind darüber hinaus überzeugt, dass die Nutzung interaktiver Inhalte und virtueller Klassenzimmer weitverbreitet sein wird. Damit liegt Österreich über dem Schnitt von 33 Prozent der europäischen Länder (Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien).

Avatare als Lehrer?

Künstliche Intelligenz, so die Einschätzung von 44 Prozent der befragten Jugendlichen, werde die Qualität des Unterrichts verbessern, da dann jeder in seinem Tempo lernen kann. 33 Prozent sind auch davon überzeugt, dass der Unterricht 2050 von Avataren im virtuellen Raum abgehalten wird.

Dass Technik und künstliche Intelligenz in Zukunft in der Schule einen größeren Stellenwert haben werden, davon gehen auch Bildungsexperten aus. "Technik und künstliche Intelligenz werden in Zukunft einen ganz natürlichen Stellenwert haben. Gerade auch deshalb wird aber zugleich soziales und selbstständiges Lernen immer wichtiger", sagt Konrad Krainer, Professor am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Ähnlich die Einschätzung von Martina Piok, Leiterin des Impulszentrums für Cooperatives Offenes Lernen (COOL-Impulszentrum) sowie Lehrerin an einer Handelsakademie und -schule in Wien. "Im Klassenzimmer der Zukunft wird jegliche Technik bereitstehen müssen, die für unterschiedliche Lernsettings benötigt wird." Die technischen Herausforderungen werden größer, die Vorbereitung der passenden Lernumgebung werde dadurch intensiver, dafür brauche es neben dem Ausbau der technischen Infrastruktur in Zukunft auch Systemadministratoren an den Schulen, die sich ausschließlich darum kümmern, dass alles auch funktioniere.

Vor Ort wird bleiben

Piok glaubt aber nicht daran, dass der gesamte Unterricht in den virtuellen Raum transferiert werde. "Wir kommen ja auch zusammen, um miteinander zu lernen." Ändern werde sich aber die Art des Lernens, weg von der reinen Wissensvermittlung hin zur Vermittlung von Medienkompetenz. Mit KI sei es einfach, Wissen aufzusaugen, die Bewertung, ob etwas stimmt oder nicht, müssen die Schüler vornehmen können. "Dadurch wird sich auch die Rolle der Lehrkraft ändern", ergänzt sie. Lernbegleitung und Lerncoaching nennt Piok als wichtige Aufgaben für Lehrkräfte. Denn auch hier werde es Jugendliche geben, die sich damit leichter tun als andere. Durch die Digitalisierung könne auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten Rücksicht genommen werden.

Technik und KI im Klassenzimmer werden im Großen und Ganzen selbstverständlich Hand in Hand gehen, sagt Krainer. "Aber wie immer im Leben wird es Menschen geben, die das eine oder andere viel wichtiger finden – daher wird es wohl Lernorte geben, in denen Technik und künstliche Intelligenz ganz im Mittelpunkt stehen, und im anderen Extrem Lernorte, wo soziales und selbstständiges Lernen dominant ist und Technik und künstliche Intelligenz auf einem Minimallevel gehalten werden", lautet seine Prognose.

Die Vielfalt an Schulen und deren Schwerpunkte werde 2050 weit größer sein als heute. "Lehrkräfte wird es wohl immer geben, vielleicht werden da und dort ‚technische Assistenten‘ für Lehrende oder Lernende zum Einsatz kommen. Und: Es könnte – analog zu Fernuniversitäten – auch ‚Fernschulen‘ geben, mit angemessenen Präsenzphasen während des Schuljahrs oder der Ferien", sagt Krainer.

Soziale Kompetenz

Auch weil in der Freizeit der Jugendlichen vieles nur noch digital beziehungsweise virtuell stattfindet, müssen soziale Kompetenzen verstärkt in der Schule vermittelt werden, sagt Piok. Dabei geht es um Achtsamkeit, Resilienz, aber auch verbale Kommunikation und Selbstwirksamkeit. "Das wird im Privaten immer weniger trainiert, das muss im Unterricht nachgeholt werden." (Gudrun Ostermann, 9.3.2023)