Mit starrem Blick und betroffener Miene nahm Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser am Sonntag alle Schuld auf sich. "Es ist eine schlimme Niederlage", gestand der SPÖ-Politiker ein. Und er persönlich trage die Verantwortung dafür, erklärte er mehrfach – offensichtlich auch, um Pamela Rendi-Wagner aus der Schusslinie zu ziehen. Die angeschlagene Chefsozialdemokratin trat nur kurz vor die Kameras. Sie hätte Kaiser ein besserer Ergebnis gewünscht, sagte sie. Kanzler Karl Nehammer hingegen reiste zur ÖVP-Wahlparty an, die Volkspartei legte überraschend leicht zu. Die Stimmung war überschwänglich – an der Gesamtsituation der schwer angeschlagenen ÖVP ändert das Kärnten-Ergebnis wohl dennoch nicht viel. Oder ist der Abwärtstrend der ÖVP vorerst gestoppt? Welche Lehren lassen sich also aus der Landtagswahl ziehen? Ein Überblick in fünf Thesen.

  • 1. Die SPÖ kommt nicht mehr zur Ruhe

Viele hatten damit gerechnet, dass die Kärnten-Wahl SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eine Verschnaufpause gibt, wenn die Sozialdemokraten dort halbwegs gut abschneiden. Davon kann nun keine Rede sein. In der SPÖ schwelt weiter die Führungsdebatte – auch wenn sich Kritiker bis zur Salzburg-Wahl zurückhalten wollen. Aber warum hat vor allem die SPÖ ein Problem? Schließlich hat die Wahl in Niederösterreich der Landeshauptfraupartei ÖVP einen ähnlichen Absturz beschert – Kanzler Karl Nehammer sitzt jedoch weiterhin fest im Sattel.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kommt nicht zur Ruhe: Ihre internen Kritiker nutzen Wahlschlappen gegen sie.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: In der SPÖ brodelt die Führungsdebatte schon lange. Die Gegner Rendi-Wagners warten geradezu auf passende Momente, sie zu beschädigen und damit den Weg für ihren Abgang zu ebnen. In der ÖVP hingegen ist Nehammer bereits der dritte Kanzler dieser Legislaturperiode. Die türkisen Strategen wissen, dass ein weiterer Wechsel auch ein sofortiges Ende der Koalition mit den Grünen bedeuten könnte.

Zweitens: Die SPÖ ist auf Bundesebene in der Opposition. Das ist keine schlechte Ausgangslage für rote Landesgruppen im Wahlkampf. Fehler können munter der Bundesregierung zugeschoben werden, die SPÖ-Bundespartei ist nicht verantwortlich und kann weitreichende Forderungen aufstellen, ohne sie umsetzen zu können – und müssen. Die ÖVP stellt hingegen den Kanzler. Dass die SPÖ dennoch in Umfragen hinter der FPÖ steht, heizt die rote Führungsdebatte weiter an.

Drittens: Die aktuelle Themenlage spielt der SPÖ in die Hände – Teuerung, Mieterhöhungen, es geht um grundlegende soziale Fragen. Unter Sozialdemokraten wird häufig der Vorwurf laut, Rendi-Wagner könne mit diesen roten Kernthemen nicht punkten. Nehammer steckt hingegen in der Krisenbewältigung – da wird ihm auch in seiner Partei mehr verziehen.

  • 2. Die Landeshauptleute haben ein Problem

Regierende werden derzeit abgestraft – das hat sich in Niederösterreich gezeigt, das hat sich in Kärnten bestätigt. Bei beiden Wahlen stürzten die Parteien der jeweiligen Landeshauptleute massiv ab. Die ÖVP verlor in Niederösterreich fast zehn Prozentpunkte, die SPÖ in Kärnten immerhin neun. Das verheißt nichts Gutes für Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), der Ende April eine Wahl zu schlagen hat – selbst wenn die ÖVP in Kärnten nun zulegen konnte. Auch für die kommende Nationalratswahl stehen die Zeichen schlecht für die Kanzlerpartei ÖVP, das verheißen zumindest aktuelle Umfragen. Aber was sind die Gründe dafür?

Die Volkspartei befindet sich seit Aufkommen der Inseratenaffäre und dem damit verbundenen Abgang von Sebastian Kurz in einer Abwärtsspirale. Hinzu kommt aber auch eine große Unzufriedenheit im Land über das Pandemiemanagement der Machthaber in Bund und Ländern. Schon bei der Wahl in Niederösterreich konnte die FPÖ zahlreiche Protestwähler für sich gewinnen, denen die vielen Corona-Maßnahmen gegen den Strich gingen.

Kanzler Karl Nehammer reiste nach Klagenfurt, um die ÖVP zu feiern. Er sitzt trotz schlechter Umfragen und der Wahlniederlage in Niederösterreich fest im Sattel.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Auch in Kärnten zeigte sich wieder: Die FPÖ konnte besonders in impfskeptischen Gemeinden zulegen oder sie sogar für sich gewinnen. In dem Ort mit der geringsten Durchimpfungsrate Österreichs, in Stall im Mölltal, holten die Freiheitlichen satte 53,8 Prozent der Stimmen. Damit färbten sie den 1.500-Einwohner-Ort um – bei der Landtagswahl 2018 war noch die SPÖ an der Spitze.

Doch es geht nicht nur um Corona: der Ukrainekrieg, die hohe Inflation – Regierungen stehen vor gigantischen Herausforderungen. In Österreich hat sich gezeigt: Die Hilfspakete gegen die Teuerung wurden der Regierung nicht in Form von Zustimmung gedankt.

  • 3. Kleine Bewegungen können Wahlen prägen

Das Team Kärnten konnte das Momentum nutzen: Spitzenkandidat Gerhard Köfer bekam bei der Landtagswahl in Kärnten mehr Stimmen als Grüne und Neos zusammen. Er inszenierte sein Team als unabhängige Bewegung und positionierte sich gegen die Landesregierung. Köfer konnte frühere SPÖ-Sympathisanten für sich gewinnen. Aber auch die FPÖ blieb inmitten ihres Höhenflugs – sowohl in bundesweiten Umfragen als auch bei der Niederösterreich-Wahl – in Kärnten hinter den Erwartungen zurück. Auch wegen Köfer, der im Wahlkampf auf Populismus und freiheitliche Kernthemen setzte und sich selbst als Anti-Establishment-Kandidat positionierte. Das hat funktioniert. Der ehemalige SPÖ-Politiker und Bürgermeister kritisierte roten Postenschacher im Land, Schuldenmacherei und natürlich den Impfzwang.

Nach der MFG hat auch Köfer verdeutlicht: Selbsternannte "Bewegungen" machen den etablierten Parteien Druck und können mit den richtigen Themen sogar zu Königsmachern werden. Potenzial gäbe es auch im Bund. Besonders bei Wählerinnen und Wählern, die von der (Corona-)Politik der etablierten Parteien enttäuscht sind. In Kärnten hat sich gezeigt: Köfers Themen motivierten auch ehemalige Nichtwähler.

  • 4. Grüne und Neos sollten nicht zu siegessicher sein

Es war ein schmerzhafter Sonntag für die restlichen Kleinparteien: Weder den Neos noch den Grünen ist der Einzug in den Kärntner Landtag gelungen. Liberale und Grüne kommen – gemeinsam – gerade einmal auf etwas mehr als sechs Prozent. Kärnten ist für beide kein einfaches Pflaster. Als Erklärung allein reicht das allerdings nicht. Die Grünen haben ihren Wahlkampf monothematisch auf Klima und Energie abgestellt. "Rot-grüne Wechslerinnen hätten da offenbar etwas anderes gebraucht", sagt Wahlforscher Christoph Hofinger. Fest steht: Auch etablierte Parteien dürfen sich nicht zu siegessicher sein. Parteien müssen sich immer wieder aufs Neue behaupten.

  • 5. Umfragen stimmen nicht immer

Dass sich ein paar Prognostikerinnen und Hochrechner täuschen, ist auch schon in der Vergangenheit passiert. In Kärnten lagen alle daneben. Das Ergebnis der SPÖ wurde mit rund 43 Prozent von den verschiedensten Meinungsforschungsinstituten zu hoch eingeschätzt. Die Prognose war wohl auch ein Grund dafür, dass sich Peter Kaiser "den Vierer vorne" als Wahlziel setzte – und dadurch nun in Bedrängnis gerät.

Der Lerneffekt aus Kärnten: Gerade bei öffentlich kommunizierten Limits, Zielen und Co sollten sich Parteien nicht zu sehr auf Umfragen verlassen. Besonders dann nicht, wenn Politiker das Ziel an einen Rücktritt knüpfen. Das tat etwa die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou 2015, als sie bei Verlusten ihren Rückzug ankündigte – und wieder absagen musste. (Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 6.3.2023)