Geschäfte und Restaurants waren geschlossen, aber nicht die Förderungen. Staatshilfen flossen reichlich – aus Sicht der EU-Kommission war die Republik möglicherweise zu großzügig.

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Wien – Neben andauernden Vorwürfen der Überförderung haben die Corona-Wirtschaftshilfen ein handfestes Nachspiel. Die EU-Kommission hat mit der Republik Österreich einen Disput über die Höhe der ab Frühjahr 2020 (bis Ende September 2022) gewährten Wirtschaftshilfen. Österreich hält sich bei der Auszahlung ausstehender Hilfen zurück, zumindest bei jenen Unternehmen, bei denen noch nicht geklärt ist, ob die höchstzulässige Fördersumme überschritten werden könnte.

Die EU-Behörde argwöhnt, dass sich das damals von Gernot Blümel (ÖVP) geführte Finanzministerium nicht an den für die Covid-19-Pandemie kreierten temporären EU-Beihilfenrahmen gehalten und zu großzügig gefördert hat. Das erschließt sich aus Briefen, die die für die Abwicklung der Corona-Hilfen zuständige Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (Cofag) seit Wochen an heimische Unternehmen verschickt, die Förderungen zugesprochen bekamen oder – neun Monate nach Ablaufen der Antragsfrist – noch immer auf Auszahlung ausständiger Beträge warten.

Wirtschaftliche Einheit

Der Verdacht: Die Republik Österreich habe im Zusammenhang mit der Gewährung von Zuwendungen wie Lockdown-Umsatzersatz, "Fixkostenzuschuss 800.000", Ausfallsbonus und Verlustersatz nicht geprüft, ob die begünstigten Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit (Unternehmensverbund) mit Tochter-oder Schwesterunternehmen bilden und dadurch der beihilfenrechtliche Höchstbetrag von 2,3 beziehungsweise zwölf Millionen Euro (beim Verlustersatz) überschritten wurde. "Die Frage, ob die Unternehmensverbund-Betrachtung im Einklang mit den beihilfenrechtlichen Regelungen der EU steht, ist derzeit Gegenstand von Gesprächen des Bundes mit der Europäischen Kommission", heißt es in einem von der Cofag verschickten Brief an einen Förderwerber, der dem STANDARD zugespielt wurde.

Existenzangst geht um

Vor diesem Hintergrund erscheint die Ansage von Cofag-Chef Marc Schimpel zu Jahresanfang, die Cofag werde von einer auszahlenden Stelle zu einer zurückfordernden Stelle, in einem neuen Licht. Bei betroffenen Unternehmen geht nun die Existenzangst um, auf sie könnten Rückforderungen in Millionenhöhe und damit Liquiditätsengpässe zukommen. Es wäre nicht die erste Welle an Rückforderungen, seit Jänner sind Hoteliers mit Cofag-Forderungen konfrontiert.

Die Cofag verweist auf Anfrage des STANDARD darauf, dass die heimischen Corona-Hilfen grundsätzlich auf das Einzelunternehmen abstellten. Die EU-Kommission habe erst auf Prüfung und Einhaltung der beihilfenrechtlichen Höchstbeträge auf Ebene des Unternehmensverbunds hingewiesen, als die Pandemiemaßnahmen bereits im Laufen bzw. abgeschlossen waren. Das Finanzministerium habe die Cofag deshalb "ersucht, auch die Einhaltung der beihilferechtlichen Höchstbeträge auf Ebene des Unternehmensverbundes zu prüfen". Daher hole die Cofag bei Förderwerbern nun "Auskünfte über das Vorliegen kontrollierender Beteiligungsbeziehungen" ein, um festzustellen, ob im betreffenden Unternehmensverbund tatsächlich eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des EU-Beihilfenrechts vorliegt und die beihilferechtlichen Höchstbeträge eingehalten wurden. Betroffen sei im Übrigen nur eine sehr kleine Minderheit der ausständigen Antragsteller.

Korrektur möglich?

Einigen sich EU-Kommission und Finanzministerium nicht, müssten die Unternehmen die staatlichen Zuwendungen zurückzahlen. "Bitte beachten Sie daher, dass eine mögliche Konsequenz dieser Gespräche eine Korrektur von bereits ausgezahlten Zuschüssen, die auf Unternehmensverbund-Ebene die (beihilfenrechtlichen) Höchstbeträge überschreiten, sein kann", warnt die Cofag ihre Förderwerber in ihrem Schreiben vorsorglich.

Betroffen sein können nicht nur Konzerne, sondern auch Unternehmen mit mehreren Standorten, die durch einen wirtschaftlichen Eigentümer verbunden sind. Bei einem für seine Wiener Schnitzel berühmten Gastronomiebetrieb mit mehreren Lokalen etwa wären es bis zu zwei Drittel der gewährten Corona-Hilfszahlungen, die im Fall einer strengeren Auslegung der Beihilfenregeln zurückgefordert werden könnten, rechnet ein mit der Materie vertrauter Anwalt vor. Er hält eine Rückforderung bereits ausgezahlter Einzelförderungen aus derzeitiger Sicht für nicht umsetzbar und auch nicht zulässig. Eine Welle von Klagen wäre wohl die Folge, würde sich die Regierung entschließen, den EU-Regeln im Wege eines neuen Gesetzes Genüge zu tun. Allein aus diesem Grund scheint es zweifelhaft, geänderte Förderbedingungen rückwirkend per Gesetz zu legitimieren.

Zuschüsse umwidmen?

Aber so heiß wie gekocht dürfte ohnehin nicht gegessen werden. Die Republik will die leidige Causa im Sinne der unschuldig zum Handkuss kommenden Unternehmen lösen. Sie "verfolgt dabei den Lösungsansatz, dass diese Zuschüsse im Rahmen des EU-Beihilfenrechts umgewidmet werden", skizziert die Cofag in ihrem Schreiben einen typisch österreichischen Lösungsansatz. Der Korrekturbedarf solle so gering wie möglich gehalten werden oder gänzlich entfallen. Mit ähnlichen Argumenten werden besorgte Förderwerber seitens ihrer Interessenvertretungen vertröstet.

Wer spät kommt, wird bestraft

Schlecht schaut es insbesondere für einen Teil der Unternehmen aus, die noch immer auf eine positive Erledigung ihrer Anträge auf Verlustersatz warten. Sie dürften wohl nicht mit Milde rechnen, sie sitzen zwischen zwei Stühlen. Die in Aussicht gestellten Förderhöhen können sie sich wohl abschminken, denn eine Auszahlung nach altem Muster kann sich die Republik im Lichte des Disputs mit der EU-Kommission schlicht nicht erlauben.

Klar ist allerdings auch: So schnell wird ein Teil der mehr als 4.180 Antragsteller, die auf Fördergeld im Volumen von 1,076 Milliarden Euro warten, nicht zu ihrem Geld kommen (siehe Wissen). Denn die Auszahlung liegt vorerst teilweise auf Eis – bis die Sache mit der EU geklärt und eine beihilfenkonforme Auszahlung möglich ist, wie es im Cofag-Schreiben heißt.

Schadensminimierung

Wie auch immer der Zwist mit der EU-Kommission ausgeht: Die Cofag verlangt von rund 900 ihrer insgesamt 250.000 Förderwerber bereits seit Dezember zusätzliche Informationen. Im Wege sogenannter Selbstauskünfte müssen Antragsteller darlegen, ob ihr Unternehmen einem Unternehmensverbund angehört.

Gerald Zmuegg vom Beratungsunternehmen Finanzombudsteam ermittelt für betroffene Unternehmen das Risiko einer möglichen Rückzahlungshöhe und vor allem, welche Schritte zu unternehmen sind, um das zu verhindern. Fest steht für den Finanzberater aber bereits jetzt, "dass Unternehmen bei der Ausgestaltung von Hilfszahlungen und in der öffentlichen Diskussion regelmäßig zum Spielball der Politik werden. Der vorliegende Sachverhalt ist das beste Beispiel dafür." (Luise Ungerboeck, 8.3.2023)