Nina Tomaselli und Johannes Margreiter trennen in Sachen Gemeinnützigkeit nur Nuancen voneinander.

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Ausgerechnet beim aktuellsten Thema gingen die Meinungen am weitesten auseinander: Nina Tomaselli, Bautensprecherin der Grünen, kämpft gerade mit oder vielmehr gegen Koalitionspartner ÖVP für eine Mietpreisbremse. Johannes Margreiter, ihr fachliches Gegenüber bei den Neos, hält es hingegen für "grundfalsch", wenn die Politik in Privatverträge eingriffe.

Die Vorarlbergerin und der Tiroler bestritten die politische Debatte des jüngsten STANDARD-Wohnsymposiums im Wiener Erste Campus. Und so nah beieinander wie ihre beiden Heimatbundesländer lagen dann wiederum ihre Ansichten, sobald es um die Gemeinnützigen ging. Da kam vom Liberalen Margreiter ein Bekenntnis zu den beiden Säulen Wohnbauförderung und Gemeinnützigkeit, die für ihn nicht zu trennen sind – im Gegenteil: "Die Wohnbauförderung ist bei den Gemeinnützigen am besten aufgehoben." Die Abschaffung der Zweckbindung der Wohnbauförderung vor 15 Jahren sei eine "Todsünde" gewesen, sagte der Neos-Mann.

"Ausreichend resilient"

Tomasellis Analyse überraschte da schon weniger: Die Branche sei gut aufgestellt und "ausreichend resilient" sowie keinesfalls in der Krise, sondern nichts weniger als "die tragende Säule der österreichischen Wohnbaupolitik". Auch von ihr kam ein "klares Ja" zur Zweckbindung, doch dafür sei es nun schon reichlich spät, sagte die grüne Wohnbausprecherin. In einigen Bundesländern wurden Forderungen aus Wohnbauförderdarlehen am Finanzmarkt zu Geld gemacht, dort ist das an sich auch auf Rückflüsse aufgebaute System schon recht ausgedünnt.

Die Gemeinnützigkeit sei letztlich "die beste Mietpreisbremse", sagte die Grünen-Politikerin; gemeinnützige Wohnungen sollten deshalb "für Generationen erhalten bleiben", unterstützte sie auch das Prinzip "Einmal gemeinnützig, immer gemeinnützig" ausdrücklich. Diesem sollte man neues Leben einhauchen, indem die Wohnbauförderung vor allem auf den gemeinnützigen Wohnbau fokussieren und hier überdies rein in die Schaffung von Mietwohnungen fließen sollte. Damit sprach sie sich auch gegen die Kaufoption im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) aus. Eine Novelle des Gesetzes werde es ohnehin sehr wahrscheinlich noch in dieser Legislaturperiode geben, kündigte Tomaselli an.

"Mehr Widerstand gegen ausrangierte Politiker"

Margreiter teilte ihren positiven Befund über die Gemeinnützigkeit "weitgehend", wie er sagte. Doch ein paar kritische Punkte musste er loswerden: Regelmäßig würden "ausrangierte" Politiker im gemeinnützigen Sektor "geparkt". Dabei spielte er auf einen aktuellen Fall in Tirol an, wo die Neue Heimat, die dem Land Tirol und der Stadt Innsbruck gehört, gerade einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Hannes Gschwentner sucht. Er war davor Mitglied der Landesregierung aufseiten der SPÖ gewesen; nun schickt sich Johannes Tratter an, ihm nachzufolgen. Tratter war bis vor kurzem Wohnbaulandesrat aus den Reihen der ÖVP. Solche Vorgänge würden dem Ruf der Branche schaden, "da sollten sich die Gemeinnützigen mehr dagegen wehren", sagte Margreiter.

Doch nicht nur für Politiker, sondern auch für Anlegerinnen würde Margreiter gerne "die Stopptafel aufstellen", wie er sagte. Die jüngste WGG-Novelle hat hier nämlich nach Ansicht vieler Beobachter ein Fenster geöffnet, das einen leichteren Abverkauf von gemeinnützigen Wohnungen ermöglichen könnte; diese letzte Novelle müsse man "wachsam beobachten", sagte Margreiter. Es sollte eigentlich überhaupt keine Verkäufe geben, betonte er und outete sich außerdem als Fan der strikten Beschränkungen bei der Gewinnausschüttung der Gemeinnützigen (maximal 3,5 Prozent): "Das Renditedenken darf im gemeinnützigen Wohnbau nicht Einzug halten."

Mehr Digitalisierung und mehr Vorgaben vom Bund ...

Was aus seiner Sicht hingegen forciert werden sollte, ist die Digitalisierung im Bauwesen und die volldigitalisierte 3D-Planung (BIM). "Da müssten dann aber auch die Baubehörden entsprechend aufrüsten."

Und der Neos-Politiker drängt außerdem darauf, die Kompetenzen in Sachen Raumordnung zu hinterfragen. Mit einem Bundesraumordnungsgesetz könnte der Bund den Ländern "zumindest Vorgaben in Sachen Vorbehaltsflächen für den gemeinnützigen Wohnbau machen", was das Problem unleistbarer Grundstücke für gemeinnützige Bauträger entschärfen könnte.

Tomaselli trat dafür ein, bestehende Immobilien besser zu nutzen. "Gerade die alten Ortszentren sind schon für die Verdichtung ausgelegt. Das ist ein tolles Betätigungsfeld für die Wohnbauförderung."

... und nochmal Mietpreisbremse

Und dann kam wieder die Rede auf die Mieten. Da plädierte Margreiter einerseits für ein "einkommensabhängiges Benützungsentgelt" bei den Gemeinnützigen, was Tomaselli schon nicht gefiel. Andererseits führte er zur aktuellen Mietpreisdebatte ins Treffen, dass dem Fiskus enorme Steuereinnahmen verlorengehen würden. "Es fließt mehr Geld in den Steuertopf, wenn die Bremse nicht angezogen wird." Mit dem Geld könne man zielgerichtete Wohnbeihilfen finanzieren.

Doch Tomaselli ließ das nicht gelten. Die Miete sei im Normalfall die höchste monatliche Ausgabe eines Haushalts, und Statistiken würden zeigen, dass die Mieten in den letzten Jahren viel stärker als die Inflation gestiegen seien. "Jede Wohnung, die irgendeine Form der Preisbremsung hat, ist deshalb wichtig." (Martin Putschögl, 8.3.2023)