Autorin NoViolet Bulawayo (41).

Foto: Nye Lyn Tho/Suhrkamp Verlag

"Vater der Nation" wird der Herrscher genannt, seit bald 40 Jahren ist er an der Macht. Früher hatte man ihm sogar Wunderkräfte nachgesagt und Großes erwartet, heute sind die anlässlich der Feiern zum Unabhängigkeitstag auf den Straßen von Jidada zusammengekommenen Bürger unzufrieden. Es bedarf des Militärs, für Ordnung zu sorgen, sodass "die Abweichler sofort kehrtmachten, die Schwänze elend eingezogen". Schwänze? Ja, Schwänze. Denn Jidada ist "das Land der Farmtiere". Ihr Führer, das alte Pferd, steht für Robert Mugabe.

NoViolet Bulawayo erzählt in Glory vom Ende der Herrschaft des simbabwischen Langzeitdiktators 2017, der nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht 1980 an die Macht gekommen war. Wer beim tierischen Figurenpersonal an Farm der Tiere denkt, ist auf einer heißen Spur. Bulawayo, 1981 in Simbabwe geboren, lebt in den USA und verfolgte über soziale Medien mit, wie ihre Landsleute die politische Lage um Robert Mugabes Sturz mit George Orwells Fabel von 1945 verglichen.

Zugleich entstammen die Kühe, Schweine, Hühner den Sagen, die Bulawayo in der Kindheit von ihrer Großmutter erzählt bekommen hatte. Die Zeit nach dem Putsch erlebte die Autorin dann aus nächster Nähe, Ende des Jahres reiste sie aus den USA in ihre afrikanische Heimat und wurde Zeugin, wie eine erste zögerliche Hoffnung des Volkes auf Wandel bitter enttäuscht wurde.

Schweinepriester

Genauso geschieht es auch in Glory. Wo Orwell im kleinsten Kreis die Sowjetunion entlarvte, geht Bulawayo auf den großen Maßstab, sie erzählt von Massen. Weiß behandschuhte Pfoten markieren Generäle, der oberste Priester ist ein Schwein.

So weit verläuft die Erzählung wenig überraschend, was daran liegt, dass die Autorin der Zeitgeschichte folgt: Der Jubel des Volkes für den Putschisten Tuvy hält nicht lange. "Jidada ist wie eine Erdnuss, knackt sie und entdeckt die Möglichkeiten", lautet sein Spruch für Investoren. Tatsächlich profitiert davon nur er selbst. "Sie nahmen und nahmen", geht es eine Seite lang. Korruption, Arbeitslosigkeit, Nahrungsmittelknappheit, 17 Stunden am Tag abgeschalteter Strom: In Warteschlangen wachsen Resignation und Wut.

Glory kennt zwei Tonalitäten. In solchen kollektiven Passagen erinnert es an eine Sage, der es nicht um Einfühlung geht, sondern die eines im Sinn hat: kenntlich machen. Dagegen steht ein von Innenleben geprägter Strang um die Ziege Destiny.

Sie ist der individuelle, fühlende Charakter im Pool prototypischer Despotengeschichtefiguren und steht beispielhaft für viele aus der jungen Generation, die über die Jahre die Opposition gewählt und auf den Straßen Jidadas (Harares) protestiert haben, dafür vom Regime gefoltert wurden und das Land verließen. Nun ist Destiny zurück.

Shortlist für den Booker-Preis

Das hat sie mit Bulawayo gemein, die bereits 1999 aus Simbabwe geflohen ist. 2013 schaffte es ihr Debüt Wir brauchen neue Namen auf die Shortlist für den Booker-Preis, ebenso letztes Jahr Glory. Das Magazin New African wählte die Autorin 2014 unter die "100 einflussreichsten Afrikaner". Bürgerlich heißt sie Elizabeth Zandile Tshele, den Namen Bulawayo entleiht sie der Stadt, in der sie aufwuchs. Dort hat auch Destiny ihre Wurzeln, dort hat deren Mutter sich vier Jahrzehnte zuvor Protestnarben erworbenen. Kolonialismus, Unabhängigkeitskampf, China als neuer kapitalistischer Player – das grundiert den Roman, es macht ihn aber noch lang nicht zum historischen Panorama.

"Vergangenheit, Gegenwart, Vergangenheit" heißt ein Kapitel treffend. Heuer stehen in Simbabwe wieder Wahlen an, die Lage im Land ist unverbessert. Insofern kommt Bulawayo als politische Erklärerin wie gerufen. Wollte man ihr etwas vorhalten, dann dass sie aus den Tieren mehr Animalisches hätte herausholen können, um das Konzept literarisch lustvoll auszufüllen.

Wem etwas Fell zu viel ist, der sollte indes bei Tsitsi Dangarembga weiterlesen. Die Regisseurin, Autorin und verurteilte Politaktivistin hat gerade Schwarz und Frau (Essays, Quadriga) über ihr Land vorgelegt. (Michael Wurmitzer, 10.3.2023)