Wien – Als "Denkmal eines Antisemiten" bezeichnet der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, das umstrittene Memorial des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger in Wien. Es gehöre "weg, entsorgt", fordert er am Freitagabend in der "ZiB2 History" Über die Zukunft des Lueger-Denkmals wird wegen des Antisemitismus des Geehrten in Wien seit Jahren debattiert.

Das Lueger-Denkmal in Wien sorgt seit Jahren für Debatten.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Stattdessen solle dort ein Shoah-Zentrum entstehen – für ein solches nach dem Vorbild von Einrichtungen in den USA oder Israel in Wien hatte sich Deutsch bereits seit dem Vorjahr stark gemacht. Die Begründung: Es gibt immer weniger Zeitzeugen. Als Träger schlug Deutsch damals die Stadt Wien und den Bund vor. Der Lueger-Platz sei als Ort "hervorragend geeignet", sagte er nun in ORF 2. Außerdem forderte er eine Studie, die alle Denkmäler und Plätze, die nach Antisemiten und Nazis benannt sind, beinhalten soll.

Temporärer Kontext

Das Lueger-Denkmal ist bereits seit langem in der öffentlichen Diskussion. Auch weil es von seinen Gegnerinnen und Gegnern immer wieder mit Farbe beschüttet oder mit Slogans wie "Nazi", "Schande" und Ähnlichem beschmiert wird. Erst im vergangenen Herbst wurde die Installation "Lueger temporär", eine 39 Meter lange, fünf Meter breite und elf Meter hohe Holzkonstruktion, vor dem Denkmal aufgebaut. Nicole Six und Paul Petritsch haben das Kunstwerk als "diskursives Schaulager" geschaffen. Die temporäre Installation rief auch Kritik hervor: Vertreterinnen und Vertreter der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen forderten etwa "Antisemitismus thematisieren – nicht bunt dekorieren".

"Lueger temporär" zeigt 16 Orte, die an Lueger erinnern.
Foto: Iris Ranzinger/KÖR GmbH, 2022

Die Installation zeichnet in Form buntbemalter Holzplatten die Umrisslinien von 16 Orten und Denkmälern nach, die im Wiener Stadtbild heute noch an Lueger erinnern. Die Idee: Nicht nur das Denkmal auf dem Karl-Lueger-Platz sei problematisch, sondern auch die vielen weiteren, meist unkommentierten Objekte – auf der Website der Künstler werden die Orte aufgelistet. Von einem bekannten Ort wurde zumindest Luegers Name bereits entfernt: Vor rund zehn Jahren erhielt das Hauptgebäude der Universität Wien eine neue Adresse und der Dr.-Karl-Lueger-Ring wurde zum Universitätsring.

Am Cobenzl erinnert eine Büste an Karl Lueger.

Foto: Christian Fischer

Obwohl wie Deutsch auch andere eine vollständige Entfernung des Lueger-Denkmals am Stubentor und eine Umbenennung des Lueger-Platzes fordern, sprechen sich der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl (ÖVP), und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) dagegen aus. Man solle umstrittene Denkmäler "nicht wegräumen", sondern Gelegenheiten schaffen, "in der Vielfalt der Positionen" gemeinsam über Geschichte, Gegenwart und Zukunft nachzudenken", sagte die Stadträtin anlässlich der Eröffnung der Installation im Oktober vergangenen Jahres. Ein Wettbewerb für die permanente künstlerische Kontextualisierung des Denkmals wurde bereits gestartet. (APA, ook, 10.3.2023)