SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und ihr Herausforderer Hans Peter Doskozil.

Foto: Matthias Cremer

Mit seiner Ansage, sich per "Mitgliederentscheid nach Paragraf 24 des Organisationsstatuts" für die Position des SPÖ-Vorsitzenden zu bewerben, hat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil seine Karten auf den Tisch gelegt. Aber nicht nur das: Er fordert eine Entscheidung heraus, die möglicherweise wieder nicht endgültig ist – und den Selbstzerfleischungsprozess der SPÖ beschleunigen könnte.

  • Der Mitgliederentscheid ist, anders als die Mitgliederbefragung, die Rendi-Wagner im Frühling 2020 hat durchführen lassen, rechtlich bindend – wenn die Mehrheit der Abstimmenden dafür ist und die Zahl der Abstimmenden mindestens 20 Prozent der Mitglieder entspricht. Der Entscheid hat stattzufinden, wenn dies auf Bundesebene zumindest zehn Prozent aller Mitglieder verlangen, wobei aus wenigstens drei Landesorganisationen jeweils zumindest 25 Prozent der Mitglieder dies fordern müssen.

  • Zumindest zwei Länderchefs haben sich bereits deklariert: neben Doskozil der ehemalige niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl, der noch immer Mitglied des Bundesparteipräsidiums ist. Der Salzburger SPÖ-Chef David Egger, dessen schwierigen Landeswahlkampf Doskozil in seinem Brief an Parteipräsidium und Vorstand extra erwähnt hat, gilt parteiintern als Unterstützer des Burgenländers. Auch der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer hat bereits durchblicken lassen, dass er auf einen Sonderparteitag gerade keine besonders große Lust hat. Der oberösterreichische SPÖ-Landesparteichef, Michael Lindner, sprach sich in der "ZIB 2" am Dienstag gegenüber Armin Wolf zwar für einen Mitgliederentscheid aus – man sei an einem Punkt, an dem man "diese unbestreitbare Klärung der Führungsfrage und Kanzlerkandidatur" brauche – der Frage, ob er bei einem solchen Entscheid Rendi-Wagner oder Doskozil wählen würde, wich er aber aus.

  • Mit derartiger Unterstützung wäre der Mitgliederentscheid durchzuführen – und er könnte möglicherweise dazu führen, dass Doskozil auf diesem Wege zum neuen Parteichef gekürt wird. Ein paar Haken gibt es allerdings dabei:

  • Innerhalb von drei Jahren nach einem verbindlichen Mitgliederentscheid kann der Bundesparteitag mit Zweidrittelmehrheit eine andere Entscheidung treffen. Danach genügt dafür die einfache Mehrheit.

  • Unter "Ausschließungsgründe" für einen solchen Entscheid steht unter anderem: "Beschlüsse, die gemäß dieses Statutes von anderen Gremien oder Organen zu fassen sind". Nach bisheriger Lesart wäre das wohl die Kür eines neuen Bundesparteivorsitzenden – denn dies ist, laut Statut, eine der nobelsten Aufgaben des höchsten Gremiums der Partei, des Bundesparteitags.

    Statuten und Paragrafen

    Dieser kann immer noch stattfinden – und möglicherweise zu einem anderen Ergebnis führen als der Mitgliederentscheid. Wenn:
  • die Abhaltung eines Parteitags vom Bundesparteivorstand mehrheitlich beschlossen wird – oder wenn ihn mindestens fünf Landesorganisationen verlangen. Der Bundesparteitag hat dabei innerhalb von zwei Monaten stattzufinden.

  • Der Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig hat sich am Rande "seiner" Klubklausur, ausgerechnet im burgenländischen Frauenkirchen, am Dienstag nicht dazu geäußert, ob er die Kandidatur Doskozils via Entscheid akzeptieren wird. Parteiintern favorisieren die Wiener freilich seit Tagen die Parteitagsvariante. Immerhin hat man, aus Ludwigs Sicht, damit schon einmal gute Erfahrungen gemacht. Als es um Michael Häupls Nachfolge an der Spitze der Wiener SPÖ ging, traten Ludwig und der nunmehrige EU-Abgeordnete Andreas Schieder gegeneinander an, präsentierten ihre Inhalte, es wurde darüber diskutiert, schließlich abgestimmt. Am Ende reichte der Verlierer Schieder dem Gewinner Ludwig die Hand, die internen Querelen waren damit beendet. Ludwig schüttete in der Folge die Gräben in der Wiener SPÖ geschickt zu. Doskozils Gegner in der SPÖ, nicht nur in Wien, kritisieren, dass es dem burgenländischen Landeshauptmann wohl gar nicht darum gehe, über Inhalte zu diskutieren. Sonst würde er ja seine Kandidatur auf einem Parteitag bekanntgeben und sich der Diskussion stellen.

    Verbrannte Erde

    Das Präsidium der arg von sich selbst gebeutelten Sozialdemokraten hat am Mittwoch wohl viel zu diskutieren, der darauffolgende Vorstand heikle Entscheidungen zu treffen. Ob und wie verhindert werden kann, dass die Querelen weitergehen und im schlimmsten Fall sogar zwei Parteichefs gegeneinander arbeiten, darüber herrschte Dienstagabend Ratlosigkeit. Intern wurde im Vorfeld auch ventiliert, ob ein "Parteimediator" die beiden Lager versöhnen soll. Allein, wer diesen Job übernehmen könnte – auch angesichts dessen herrschte Ratlosigkeit.

    Der Wiener Bürgermeister hat bereits angekündigt, dass er eine "sehr starke Meinung" abgeben werde. Die Wiener sind, so ist zu hören, noch grantiger als bisher, weil die Doskozil-Ankündigung just mit der Klubklausur der Wiener SPÖ zusammenfiel. Auch die Gefühle des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser sind nach den Verlusten bei der Landtagswahl auch in Richtung Doskozil aufgewühlt, ist zu hören. Ein Insider bringt die allgemeine Stimmung in der SPÖ auf den Punkt: "Wohin man schaut, überall nur verbrannte Erde." (Petra Stuiber, 15.3.2023)