Gas- und Strompreise haben sich halbwegs stabilisiert, aber die Wolken über Wien Energie sind noch nicht verzogen. Eine Untersuchungskommission prüft, die Staatsanwaltschaft ermittelt auch noch.

Foto: Toppress / Karl Schöndorfer

Wien – Die siebente Sitzung der Untersuchungskommission zu Wien Energie verspricht zumindest politisch spannend zu werden. Den Fragen stellen muss sich der für Finanzen, Wirtschaft und Wiener Stadtwerke zuständige Stadtrat Peter Hanke (SPÖ). Er muss erklären, warum er so lange zugeschaut hat, bis der städtische Versorger aufgrund explodierender Gas- und Strompreise ins Wanken geriet und durch Stadt und Bund stabilisiert werden musste.

Die Opposition im Wiener Gemeinderat sieht längst den Beweis erbracht: Nicht allein die Bocksprünge auf den Energiemärkten hätten Wien Energie im Sommer des Vorjahres in Turbulenzen gebracht, sondern das riskante Geschäftsmodell mit seinem bisweilen überbordenden Bedarf an "Margin-Calls", mit denen Verkäufe künftig zu liefernden Stroms an den Energiebörsen abgesichert werden mussten.

Profitmaximierung?

"Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Mit der von der Wien Energie verfolgten Geschäftspolitik wurde und wird noch immer versucht, den Profit zu maximieren", echauffierte sich der ÖVP-Klubobmann im Gemeinderat, Markus Wölbitsch, am Mittwoch. Anstatt die Endkundentarife langfristig gegen Preissteigerungen abzusichern, hätten es "SPÖ, und allen voran Bürgermeister Ludwig, zugelassen, dass Wien Energie zulasten der Kundinnen und Kunden an der Börse handelt". Ins selbe Horn stieß der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Die Zeche dafür zahlten Verbraucher und Geschäftskunden, so der Vorwurf.

Schneller teurer?

Beide beziehen sich in ihrer Kritik auf eine Sachverständigenstellungnahme des auf Börsen- und Bankwesen spezialisierten Finanzexperten Oliver Lintner, der von der auf Klein- und Mittelbetriebe spezialisierten Zmuegg Vermögensberatung beauftragt worden war, Verlauf und Umfang der Termingeschäfte von Wien Energie und Salzburg AG zu vergleichen. Der Schluss, zu dem der gerichtlich zertifizierte Sachverständige kommt: Bei Wien Energie sei der Strompreis nicht nur früher angehoben worden, sondern auch netto um 25 Cent pro Kilowattstunde teurer als bei der Salzburg AG, die ihrerseits Termingeschäfte tätigt – und früher Arbeitgeber von Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl war.

Das ist der Sukkus des neunseitigen Gutachtens über das zuerst die ZiB 2 am Dienstagabend berichtet hatte. Im Gegensatz zu Wien Energie, die auf den Terminmärkten "short" gegangen war, also beim Stromverkauf in großem Stil auf Kurzfristverträge setzte, die bei steigenden Börsenpreisen mit Margin-Calls in zeitweise exorbitanter Höhe hinterlegt werden mussten, trat der überwiegend mit billigem Wasserkraftstrom versorgte Salzburger Versorger an den Börsen als Käufer auf, der Strom lang im Voraus einkaufte, um Endkundenpreise niedrig zu halten. Der Unterschied macht Geschäftskunden wie Verbraucher – trotz der per Dezember eingeführten Strompreisbremse – unentspannt.

"Falschinformationen"

Wien Energie reagierte scharf auf die Modellrechnung: Man prüfe rechtliche Schritte gegen die "Verbreitung dieser Falschinformationen". Das "Gutachten" sei irreführend, weil wahllos Neukundentarife in unterschiedlichen Marktgebieten verglichen, aber Bestandskundentarife ignoriert wurden. Daraus allgemeine Aussagen abzuleiten, sei unzulässig, zumal Wien Energie im Sommer/Herbst 2022 das günstigste Angebot in der Ostregion gehabt habe, betont der städtische Versorger. Die Preiserhöhung im Rahmen der Energieallianz (zu der auch EVN gehört, Anm.) habe man mit einer Treueaktion (Gratistage bei Jahresbindung) abgefedert, Kunden profitierten bis heute. Die Kritik am Handelsmodell von Wien Energie sei längst widerlegt.

Hoher Strompreis, hohe Gewinne

Faktum ist, dass die Geschäftsmodelle von Wien Energie und Salzburg AG schon allein aufgrund der Fernwärme in Wien unterschiedlich sind, weil im Sommer Energie (Strom) abfällt, aber im Winter massenhaft Gas für Strom verfeuert wird. Am 1. September hatte die Wien-Energie-Geschäftsführung die Frage, warum so bedrohlich hohe Volumina an Strom so lang im Voraus verkauft wurden und werden, damit begründet, dass man auf Deckungsbeiträge hätte verzichten müssen, die aufgrund hoher Strompreise winkten. Mit tausend Euro je Megawattstunde am "Black Friday" hatte schlicht niemand gerechnet.

Genau diese Deckungsbeiträge wurden in dem nun angefeindeten Gutachten thematisiert: "Bei Wien Energie GmbH geben die hohen Short-Positionen von zukünftig zu lieferndem Strom Anlass zur Feststellung, dass primär die Absicherung von Deckungsbeiträgen bzw. die Fixierung zukünftiger Gewinne im Fokus der Aktivitäten standen.", attestiert der Gutachter. Da die Gewinne bereits am Jahresanfang "gesichert" bzw. fixiert gewesen seien, habe es keine Reserve mehr gegeben um im Fall steigender Preise ebendiese zu kompensieren. Preissteigerungen für Konsumenten seien somit aus Sicht des Unternehmens unumgänglich gewesen.

Fraglich ist, wie mit dem kolportierten Jahresgewinn von Wien Energie aus dem Jahr 2022 verfahren wird. Der Stadt steht das Geld nicht zur Verfügung, denn Gewinnausschüttungen sind gemäß den von der Stadt besicherten Kreditlinien bei den Banken nicht erlaubt. Sie sollten an die Kunden zurückfließen, fordert der Auftraggeber des Gutachtens, Finanzberater Gerald Zmuegg: "Wir begleiten 189 Klein- und Kleinstunternehmen, die infolge überzogener Strompreissteigerungen der Wien Energie nicht in der Lage sind, ihre Zahlungen zu leisten." Ihnen sollte der städtische Versorger helfen, denn für sie gebe es keine Strompreisbremse. (Luise Ungerboeck, 16.3.2023)