In seinem Gastkommentar schreibt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz über das erneute Versagen des Bankensystems in den USA und plädiert für strengere Regulierungen.

Der Bankensturm auf die Silicon Valley Bank (SVB) – von der fast die Hälfte aller mit Wagniskapital gestützten Tech-Start-ups in den USA abhängig sind – ist in Teilen die Wiederholung einer vertrauten Geschichte. Zugleich jedoch ist er mehr. Wieder einmal haben sich Wirtschaftspolitik und Finanzregulierung als unzureichend erwiesen.

Die Nachrichten über die zweitgrößte Bankenpleite in der US-Geschichte kamen nur wenige Tage, nachdem Notenbankchef Jerome Powell dem Kongress versichert hatte, der finanzielle Zustand der US-Banken sei solide. Doch sollte der Zeitpunkt nicht überraschen. Angesichts der von Powell veranlassten deutlichen, in schneller Abfolge umgesetzten Zinserhöhungen wurde prognostiziert, dass dramatische Preisbewegungen bei den Finanzwerten irgendwo innerhalb des Finanzsystems Traumata auslösen würden. Doch auch diesbezüglich versicherte er uns, wir müssten uns keine Sorgen machen – trotz jeder Menge historischer Erfahrungen, die das Gegenteil nahelegten. Powell gehörte zum Regulierungsteam von Ex-Präsident Donald Trump, das die nach der Finanzkrise von 2008 erlassenen Bankenregeln abgeschwächt hatte, um "kleinere" Banken von den für die größten, systemisch wichtigen Banken geltenden Standards zu befreien.

In den USA führt – wieder einmal – ein Bankencrash zu Sorgen in der Finanzwelt wie auch bei den Sparenden. Was läuft da falsch? Und: Wer badet das dann aus?
Foto: Getty Images/ Artem Hvozdkov

Während die Fed unbarmherzig die Zinsen erhöhte, sagte Powell, es würde wehtun. Infolge dieser schmerzhaften Maßnahmen wird nun Amerikas dynamischer Sektor und seine dynamischste Region ausgebremst. Die häufig jungen Unternehmerinnen und Unternehmer der Start-ups im Silicon Valley dachten, die Regierung würde ihre Arbeit machen; also konzentrierten sie sich auf die Innovation und nicht darauf, täglich die Bilanz ihrer Bank zu überprüfen – was sie so oder so nicht gekonnt hätten. (Im Sinne der Transparenz: Meine Tochter, CEO eines Bildungs-Start-ups, ist eine dieser dynamischen Unternehmerinnen.)

Einfacher und schneller

Während neue Technologien das Bankgeschäft im Grundsatz unverändert gelassen haben, haben sie das Risiko von Bankenstürmen erhöht. Es ist viel einfacher als früher, sein Geld abzuziehen, und die sozialen Medien beflügeln Gerüchte, die Wellen zeitgleicher Abhebungen auslösen können. Laut Berichten war der Untergang der SVB nicht auf jene Art schlechter Kreditvergabepraktiken zurückzuführen, die 2008 zur Krise führten und ein grundlegendes Versagen der Banken bei ihrer zentralen Rolle der Kreditallokation darstellten. Es war prosaischer: Alle Banken betreiben eine "Fristentransformation"; das heißt, sie stellen kurzfristige Einlagen für langfristige Investitionen zur Verfügung. Die SVB hatte langfristige Anlagen gekauft, was sie angesichts sich dramatisch verändernder Renditekurven Risiken aussetzte.

Was sagt es aus über ein Land, wenn diejenigen, die hart arbeiten und neue, für die Menschen interessante Produkte einführen, schlicht deshalb scheitern, weil das Bankensystem sie im Stich lässt? Ein sicheres, solides Bankwesen ist eine Grundvoraussetzung einer modernen Volkswirtschaft, und doch weckt das US-Bankensystem nicht gerade Vertrauen. Eine Vielzahl von Kreuzrittern gegen staatliche Regeln und Vorschriften entwickelte sich plötzlich zu Befürwortern eines staatlichen Bailouts der SVB – ganz so, wie die Financiers und Politikerinnen und Politiker, die die zur Krise von 2008 führende massive Deregulierung in die Wege leiteten, nach Rettung der Krisenverursacher riefen.

"Mit Nichtstun würde man der Bevölkerung auch eine gefährliche Botschaft vermitteln."

Die Antwort ist heute dieselbe wie vor 15 Jahren. Die Aktionäre und Anleihegläubiger, die vom riskanten Verhalten des Unternehmens profitierten, sollten die Folgen tragen. Die SVB-Einleger jedoch – Unternehmen und Haushalte, die darauf vertrauten, dass die Aufsichtsbehörden ihre Arbeit tun würden, so wie sie es der Bevölkerung wiederholt zugesichert hatten – sollten entschädigt werden, egal ob über oder unter dem "versicherten" Betrag von 250.000 US-Dollar. Alles andere würde einem der dynamischsten US-Wirtschaftszweige langfristigen Schaden zufügen. Was immer man von Big Tech halten mag: Die Innovation, vor allem in Bereichen wie Umwelttechnologie und Bildung, muss weitergehen. Mit Nichtstun würde man der Bevölkerung auch eine gefährliche Botschaft vermitteln: Die einzige Möglichkeit, zu gewährleisten, dass ihr Geld sicher sei, sei, es den systemisch wichtigen Banken zu geben, die zu groß sind, um sie pleitegehen zu lassen. Dies würde zu noch stärkerer Marktkonzentration – und weniger Innovation – im US-Finanzsystem führen.

Verlass auf Regulierung

Nach einem für potenziell Betroffene überall im Land nervenaufreibenden Wochenende hat die Regierung das Richtige getan: Sie hat garantiert, dass alle Einleger entschädigt würden. Dies hat einen Bankensturm verhindert, der die Volkswirtschaft hätte destabilisieren können. Zugleich haben die Ereignisse klar gezeigt, dass mit dem System etwas nicht stimmt. Einige werden sagen, dass eine Rettung der SVB-Einleger zu einem "Verhaltensrisiko" führt. Das ist Unsinn. Anleihegläubiger und Aktionäre der Banken sind weiterhin Risiken ausgesetzt, wenn sie das Management nicht ordnungsgemäß beaufsichtigen. Von normalen Einlegerinnen und Einlegern jedoch kann man nicht verlangen, dass sie Bankenrisiken steuern; sie sollten sich darauf verlassen können, dass unser Regulierungssystem dafür sorgt, dass sich als Bank bezeichnende Finanzinstitute auch über die Mittel verfügen, um wieder auszuzahlen, was eingezahlt wurde.

"Wir brauchen eine strengere Regulierung, um sicherzustellen, dass alle Banken sicher sind."

Der Fall SVB repräsentiert mehr als das Scheitern einer einzelnen Bank. Er steht für tiefgreifende Versäumnisse der Regulierungs- und Geldpolitik. Wie die Krise von 2008 war er absehbar und wurde vorhergesehen. Wir brauchen eine strengere Regulierung, um sicherzustellen, dass alle Banken sicher sind. Alle Bankeinlagen sollten versichert sein. Und die Kosten sollten von jenen getragen werden, die am stärksten profitieren: den Reichen, den Konzernen und denen, die sich, basierend auf Einlagen, Transaktionen und anderen einschlägigen Kennzahlen, am stärksten auf das Bankensystem stützen.

Seit der Gründung des Federal-Reserve-Systems vor mehr als 115 Jahren haben neue Technologien Paniken und Bankenstürme wahrscheinlicher gemacht. Ihre Folgen können noch schwerwiegender sein. Es ist Zeit, dass das politische und regulatorische System darauf reagiert. (Joseph E. Stiglitz, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 2.3.2023)