Von Klimakleberaktionen hält Bundeskanzler Karl Nehammer nicht viel. Das machte er auch in einem aktuellen Schreiben wieder deutlich.

Foto: APA/Letzte Generation Österreich

Es bedürfe umgehend eines Klimagipfels. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) solle sich bei klimapolitischen Weichenstellungen, die es rasch brauche, von führenden österreichischen Klimawissenschafterinnen und Klimawissenschaftern beraten lassen. Das forderte die Allianz "Neustart Klima" in einem offenen Brief in Reaktion auf die Kanzlerrede zur Zukunft Österreichs. Die Initiative wird von Global 2000, WWF und Klimavolksbegehren getragen, mit Unterstützung des früheren Gesundheitsministers Rudi Anschober (Grüne) und zahlreichen Prominenten. Nehammers "Zukunftsrede" habe Zweifel aufkommen lassen, dass es rasch zu wichtigen Weichenstellungen in der Klimapolitik kommen werde, hieß es in einer Aussendung.

Nehammer hat nun auf das Schreiben geantwortet, die Kronen Zeitung berichtete am Sonntag, und das Schreiben liegt dem STANDARD vor. Der Kanzler und ÖVP-Chef positioniert sich darin gegen Klimawandelleugner, fügt jedoch auch an: "Wer aber glaubt, dass wir dem Klimawandel ausschließlich durch Verzicht und Apokalypse-Szenarien begegnen können" oder dadurch, "dass man sich auf die Straße klebt", der habe ebenso "nichts verstanden". Ungeachtet dessen wird am Montag bereits das nächste Aktivwerden der Letzten Generation erwartet, diesmal im Morgenverkehr von Linz.

"Untergangsirrsinn"

Das Wort "Untergangsirrsinn" hatte der Kanzler in seiner Rede zur Zukunft Österreichs am 10. März genannt und dazu auf "namhafte Autoren" verwiesen – gemeint war offenbar das Buch Apokalypse, niemals! des US-Publizisten Michael Shellenberger. Das sorgte danach für viel Wirbel, da Shellenberger Atom-Lobbyist ist und sein Buch zum Beispiel laut Global 2000 von Fachleuten als fehlerhaft eingestuft worden sei.

Er habe sich in seiner "Rede zur Zukunft der Nation" gegen Untergangsszenarien gestellt und werde das weiter tun, teilte Nehammer nun seine Worte verteidigend mit. Ähnlich wie in seiner Kanzlerrede führt Nehammer dann aus, dass er davon überzeugt sei, "durch Forschung, durch wissenschaftliche Höchstleistungen und durch Innovation" die richtigen Instrumente zu haben, "um den Klimawandel zu verlangsamen". Nach einem Exkurs zur Autoindustrie, wonach man nicht nur auf E-Motoren setzen dürfe, sondern auch auf "grüne Verbrenner", schreibt der Kanzler: "Ich nehme Ihre Sorgen ernst. Der Klimawandel ist eine Bedrohung, keine Erfindung. (...) Mein Ziel ist, dass Österreich Technologieführer für eine CO2-neutrale Welt wird. Ich lade Sie dazu ein, daran mitzuwirken, gerne auch in einem persönlichen Gespräch."

Starkes Klimaschutzgesetz gefordert

Worüber die Allianz "Neustart Klima" vorrangig reden will, liegt auf dem Tisch. Ihre Forderungen sind unter anderem ein starkes Klimaschutzgesetz, eine Energiesparoffensive und ein Vertrag gegen die Bodenversiegelung, die dem Klima und der Natur schadet.

Die rasche Antwort Nehammers auf den offenen Brief von Freitag könnte damit zusammenhängen, dass am Montag der Abschlussbericht zu den jüngsten Erkenntnissen des Weltklimarats IPCC erwartet wird. Die Verhandlungen hätten eigentlich bereits am Freitag zu Ende sein sollen, das Tauziehen hat sich aber hingezogen.

Feilschen um IPCC-Bericht

Mehrere hundert Regierungsvertreter sowie Wissenschafterinnen und Wissenschafter feilschten am Wochenende um Formulierungen der Zusammenfassung für Politiker (Summary for Policy Makers), die Grundlage für die nächsten Klimaverhandlungen. Die Kernaussagen sind aber klar: Der Klimawandel schreitet rascher voran als erwartet, und bisherige Klimaschutzmaßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 oder zumindest weniger als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu erreichen.

Der Weltklimarat ist eine zwischenstaatliche Einrichtung mit Vertretern der 195 Mitgliedsländer. Traditionell bremsen Saudi-Arabien sowie Indien besonders deutliche Formulierungen. (20.3.2023)