Die Welt kann doch sehr gastlich werden, plötzlich durch des Gelds Gewalt: Bertolt Brecht (Florian Tröbinger) auf der Flucht vor seinen zahlreichen Frauen und/oder Mitarbeiterinnen.

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Ausgerechnet an Bertolt Brecht, dem wichtigsten Theaterreformer des 20. Jahrhunderts, war ein Benzinbruder verloren gegangen: ein Waghals auf der Landstraße. An einem Maitag 1929 war Brecht mit seinem Steyr heftig gegen einen Baum geprallt, irgendwo im Umland von Fulda. Der Mann mit der Schiebermütze kam, wie die Phrase sagt, mit dem Schrecken davon. Für das Auto kam jede Hilfe zu spät.

Ausgerechnet zu Benzindroschken unterhielt der Parteigänger des Marxismus eine annähernd erotische Beziehung. Wie uns jetzt das Theaterkollektiv Toxic Dreams recht vergnüglich im WUK weismacht, übte Brecht meist große Nachsicht mit den eigenen kleinen Schwächen. Zur Demonstration der Brecht’schen Laxheit im Umgang mit Luxusgütern hat man eigens einen Autoparcours eingerichtet.

Die theatralische Demonstrationsübung Chitty Chitty Brecht Brecht bindet uns den ältesten aller Bären auf: dass der große BB nämlich selbst den köstlichsten Zigarrenrauch inhalierte, während er anderen bloß Marx predigte. Den Boden hat man mit Abklebungen als Rennstrecke hergerichtet. Ein pfiffiges Kollektiv in Kfz-Overalls rekonstruiert den Ablauf des gar schrecklichen Vorkommnisses. War Brecht, im Bunde mit den Furien des Fortschritts, einfach mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs? Oder hatte er den Unfall nur markiert, um sich in den Besitz eines noch viel luxuriöseren Ersatz-Töfftöffs zu bringen?

Zeit für ein Musical

Das von Toxic-Gründer Yosi Wanunu inszenierte Geschehen renommiert mit allerlei "epischen" Leckerbissen. Das achtköpfige Kollektiv findet nicht nur Zeit für Musical-Abschweifungen (ein Bitcoin-Drama, wohllautend gesungen zur Musik von Michael Strohmann). Man jagt die Tretautos im Kreis herum und nimmt BB nachträglich ins Kreuzverhör. Das Lob des Kommunismus, scheint es, war nichts Besseres als Kauderwelsch aus der Frühzeit der Marketingdichtung.

Verblüffend hingegen, was heute alles als "episch" verkauft wird. Brecht’sch spielt und denkt nicht notgedrungen, wer ein paar Binsenweisheiten direkt an die Adresse des Publikums richtet. Episch spielt und handelt eher, wer den Abstand bedenkt, der ihn von der zu verkörpernden Figur trennt. Der mithin zeigt, was es zu zeigen gälte. Dann wäre es auch nicht notwendig, den alten Hut vom Frauenausbeuter aus Augsburg aus dem Kasten zu holen.

So ist Chitty Chitty Brecht Brecht ein nicht sonderlich inspirierter, leicht verschmerzbarer Abend geworden, der Brechts Lindbergh-Flug mit Elon Musks Marsmission zusammendenkt. Wenn es da nur nicht zu neuerlichen Zusammenstößen im Himmel kommt! (Ronald Pohl, 20.3.2023)