Hans Peter Doskozil spiele auf der rechtspopulistischen Klaviatur, Pamela Rendi-Wagner habe bewiesen, dass sie es nicht kann: Nikolaus Kowall untermalt seine Kandidatur mit schonungslosen Befunden.

Foto: Robert Newald

Die Mitgliederbefragung der SPÖ raubte Nikolaus Kowall den Schlaf. Nicht dass der als "Parteirebell" bekannt gewordene Bezirksfunktionär der SPÖ in Wien-Alsergrund etwas gegen Basisdemokratie hätte – er selbst hat die eigene Partei oft genug als paternalistisch und autoritär kritisiert. Vielmehr war es der auf zwei Personen begrenzte Konkurrenzkampf, der ihm derartiges Unbehagen bereitete. Denn die Auswahl, die sich da abzeichnete, ist in Kowalls Augen schlicht und einfach "desaströs".

Eigentlich hatte der 40-Jährige gehofft, dass dies noch anderen, prominenteren Genossen auffällt. Den Landeshauptleuten von Wien und Kärnten etwa, die einen Kompromisskandidaten jenseits von Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil aus dem Hut zaubern könnten. Doch nach ein paar telefonischen Erkundungen habe er Ernüchterndes festgestellt, erzählt Kowall: "Niemand traut sich."

Weil man nicht ein ganzes politisches Leben lang nur kritisieren könne, um dann in einem entscheidenden Moment zu kneifen, wolle er es nun eben selbst versuchen: "Ich bin meine eigene Notlösung."

Warnung vor rechter Welle

Ob daraus mehr wird als eine Ankündigung, dürfte sich heute, Mittwoch, entscheiden: Das Präsidium der SPÖ tagt, um den konkreten Ablauf des Mitgliedervotums zu klären. Vom Zeitpunkt angefangen sind so gut wie alle Bedingungen noch offen – so auch die Frage, ob nur Rendi-Wagner und Doskozil oder auch weitere Anwärter daran teilnehmen dürfen.

Aber was hat Kowall eigentlich gegen die prominenten Rivalen einzuwenden? Es gelte, die anschwellende "rechte Welle" bei Wahlen aufzuhalten, argumentiert der als Wortführer der establishmentkritischen Sektion 8 populär gewordene Aktivist: Genau dafür seien die beiden anderen ungeeignet.

Amtsinhaberin Rendi-Wagner schätzt er als "relativ unpolitische Persönlichkeit" ein, die "aus historischem Zufall" an der Parteispitze gelandet sei. Sie möge Qualitäten mitbringen, etwa für die Rolle einer Gesundheitsministerin. Aber für eine Oppositionschefin oder gar Kanzlerin fehlten ihr die Fähigkeiten, genügend Menschen für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Die Wahlergebnisse seien empirischer Beleg genug: "Es bringt nichts, wenn sie es politisch nicht kann."

Kritik an Doskozils "Stimmungsmache"

Doskozil wiederum habe sich diskreditiert, indem er selbst "auf der rechtspopulistischen Klaviatur gespielt" habe. Dass gerade ein Politiker wie der Burgenländer ein Garant gegen die FPÖ sein könnte, indem er Wähler rechts der Mitte gewinnen und so überhaupt erst eine Mehrheit für eine Ampel aus SPÖ, Grünen und Neos zustande bringen könnte, glaubt Kowall kein bisschen: "Dieses Argument hören wir seit 30 Jahren."

Doch stattdessen hätten Rechtsausleger in der SPÖ nur eines zusammengebracht: Der rechte Diskurs sei salonfähig geworden, die Solidarität immer weiter gebröckelt.

Kowall macht Doskozil als einen der Schuldigen dafür aus. Der Landeschef habe nicht nur gegen den letzten roten Kanzler Christian Kern intrigiert, sondern sich an der Stimmungsmache gegen Asylwerber und Zuwanderer beteiligt: "Er ist ein Mitverursacher des vergifteten politischen Klimas in Österreich."

An der Ausländerfrage macht Kowall auch fest, was er anders machen will. Er wolle sich weder dem Kulturkampf der Rechten anschließen noch der anderen, von der Bundespartei gerne verfochtenen Linie folgen, die Diskussionen zu dem Reizthema gleich gar nicht zu führen: "Ja, es gibt Probleme, die angesprochen werden müssen." Doch gleichzeitig gelte es zu betonen, dass Österreich immer noch eine relativ sichere, wohlhabende Gesellschaft sei, in der Integration nicht so schlecht funktioniere.

Unkalkulierbare Dynamik

Welche Chancen sich Kowall ausrechnen darf? Dem Vernehmen nach gibt es in der SPÖ nicht wenige Genossinnen und Genossen, die weder in Rendi-Wagner noch in Doskozil großes Vertrauen setzen. Doch weder hat Kowall eine Hausmacht hinter sich, noch bekleidet er eine höhere Parteifunktion, die er als Qualifikation für eine Führungsposition ins Treffen führen kann. In links-urbanen Kreisen genießt der Ökonom und Videoblogger ("Kowall redet Tacheles") zwar gewisse Popularität; für die breiten Masse des Parteivolks aber stellt er wohl viel mehr einen Außenseiter dar.

Aber wer könne schon einschätzen, welche Dynamik sich in der roten Diskussion ergebe, gibt der Neo-Kandidat hoffnungsfroh zu bedenken. Auch wenn es aktuell nicht unbedingt danach aussehe: "Es gibt Chancen."

Und selbst, wenn nicht, hofft Kowall auf zumindest einen Erfolg. Die eigene Kandidatur setze die SPÖ unter Druck, ein ordentliches, transparentes Verfahren für die Vorsitzwahl durch die Mitglieder zu entwickeln, glaubt er: Was derzeit noch eine Ausnahme ist, könnte somit zu einer Regel werden, die über viele Jahre hält. (Gerald John, 21.3.2023)