Gewaltakte werden im Glascontainer am Heldenplatz auch "real" spürbar.

Foto: Marcel Köhler

Der ORF vermeldete im Jahr 2020 über 440 Gewaltdelikte von Männern, darunter 31 Frauenmorde. Gemeinsam mit der Politikwissenschafterin und Gender-Forscherin Judith Goetz sowie der Projektmanagerin Marina Weitgasser hat sich Autorin Lydia Haider auf die Spuren dieser Taten geheftet und im soeben erschienenen Buch Du Herbert (Haymon-Verlag) eine literarisch-wissenschaftliche Einordnung vorgenommen. Den dazugehörigen Theaterabend in der Regie von Antje Schupp – die Presse war zur Generalprobe am 21. März geladen – präsentiert das Schauspielhaus Wien derzeit auf dem Heldenplatz. Genius Loci!

In Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Österreich wird ein Glascontainer unweit des Eingangs zum allseits gut einsehbaren Schauplatz für Gewalttaten, die Herbert verübt. Herbert, dargestellt von Vera von Gunten und Clara Liepsch, repräsentiert die Quintessenz männlicher Gewaltbereitschaft und vereint entsprechende Eigenschaften wie Überlegenheitsgefühle, Kontrollverlustpanik, hohe Risikobereitschaft, Frauenhass auf sich.

Verharmlosendes Reden

Der Abend richtet in einer Selbstversicherungsrede des Täters gezielt den Fokus auf die öffentlich (auch journalistisch) wirksame Versprachlichung der Gewalttaten, also auf eine relativierende, Opfer verhöhnende Narration. Etwa dann, wenn der Übergriff eines Mannes auf zwei junge Frauen als "Streit" oder ein Frauenmord als "Eifersuchtsdrama" deklariert wird.

Dem misogynen Tenor in den 441 Delikten folgt die Inszenierung durchs Kalenderjahr, hängt eine Tat an die andere, leistet sich szenisch nur das, was sein muss. Das Wesentliche liegt in der Sprache, in der kunstvollen Instandsetzung von Alltagssätzen mittels eines gravitätischen Rhythmus. Das bekommen die beiden Schauspielerinnen sehr gut hin: "aber ziehe gleich in der Folge warum auch nicht mein Messer und schlage zuerst meine Freundin und halte dann dieser samt einem Hawerer da das Messer vor die Marille denn hierzu ist ein Messer da".

Die immer wieder von neuem Schwung nehmende Textpartitur mündet auch in (formalisierte) Gewalt, wobei von der fein säuberlich wie im Bauhaus geordneten Werkzeugwand – vom Grillhaken bis zur Axt – zum Glück nur ein Knüppel zum Einsatz kommt. Schutzanzüge (wegen Bluts) stehen zur Verfügung. (Margarete Affenzeller, 23.3.2023)