Aufmarsch der Denkwürdigkeiten: BMW-Nierenkrankheit am Beispiel X7.
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Der Ssangyong Rodius (2004).
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Diese Geschichte beginnt vor rund 20 Jahren. Einleitend sei festgehalten, dass es sich um ganz persönliche Impressionen handelt, weil es um Geschmack geht und individuelle Empfindungen, die das Design von Autos auslöst. Dabei gilt: Was der einen gefällt, vor dem kann sich der andere grausen. Geschmäcker sind verschieden. Gut so. Dass gestalterischer Auftritt einer Automarke oder eines -modells und deren Geschäftserfolg nicht zwangsläufig miteinander korrelieren müssen, dafür gibt es genug Belege, und manchmal kommt aus der Neidgesellschaft Schadenfreude hinzu, die sich in Aussagen wie "Geschmack kann man eben auch mit viel Geld nicht kaufen" zeigt. Dazu gleich ein persönliches Beispiel: Bentley Bentayga. Jedenfalls, bei diversen Autopräsentationen erstellten der hochgeschätzte und leider schon von uns gegangene Kollege Christian Jörg und ich gern eine laufend aktualisierte "Worst of"-Liste, eine Rangordnung der Scheußlichkeiten, Asphaltgeschwüre, Augenkrebserreger oder welch griffige Termini sonst im Umlauf sein mögen.

Der brandneue Hyundai Ioniq 6.
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Fixstarter waren stets diverse Ssangyongs wie der Rodius oder der Kyron, für deren Potthässlichkeit der sympathisch durchgeknallte britische Designer Ken Greenley verantwortlich zeichnete – eine Tradition, die Tesla mit dem Cybertruck würdig wiederaufnimmt. Ein Dauerabo hatten weiters Fiat Multipla, Pontiac Aztec, der erste Dacia Logan und etliche Festdachcabrios wie Nissan Micra CC und Mitsubishi Colt CC. Bei Christian durften der Hyundai Matrix nie fehlen und der Bürzelheck-Seat Toledo von 2004. Mit den Franzosen war er normalerweise gnädiger, aber Peugeot 207 CC oder Renault Wind schafften es problemlos, ich ergänzte mit den Kombis Peugeot 207 SW und 308 SW mit deren extrem missratenem Heckdesign. Jedenfalls, da waren schon ein paar arge Geräte dabei.

Der Pontiacs Aztek von 2001.
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Dann wurde es ein paar Jahre lang schwieriger, niemand bewies mehr den ultimativen Mut zur Hässlichkeit, anders gesagt: Die Zeiten wurden härter, richtig übles, krasses Design, das zu mentaler Netzhautablösung führen konnte, gab es fast nicht mehr. Doch jetzt, mit der Mobilitätswende, aber beileibe nicht nur bei E-Autos, sind sie plötzlich wieder da. Vereinzelt erst, aber doch schon in durchaus auffälliger Stückzahl. Und fairerweise sei ergänzt: Mit dazu bei am Phänomen seltsam gestalteter (Hänge-)Fronten tragen auch die gesetzlichen Bestimmungen zum Fußgängerinnenschutz.

Der Nissans Juke von heute.
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Ein Beitrag zur angewandten Alltags-Antiästhetik ist für mich der neue Range Rover. Grandioses Auto, missratenes Design, speziell am Heck. Aber ganz oben rauf aufs Podest gehört BMW, und das nicht nur der Nieren wegen. Scheint, als hätten die die ewiggültigen, von den Griechen gefundenen Proportionsgesetze, etwa den goldenen Schnitt, über Bord geworfen. iX, i7/7er, X7, X6 – Teufel auch, die trauen sich was. Mercedes steht für mich gleich daneben, wenn auch punktueller. Denn Chefdesigner Gorden Wagener ist bisher und insgesamt ein wahrer Segen für die Marke. Ich sage nur: EQS, EQS SUV. Der EQE wirkt stimmiger, hinterlässt aber ebenfalls Fragen – und die ansonsten passable A-Klasse ist ein rechter Nasenbär. Ähnlich wie mit dem EQS geht es mir beim Hyundai Ioniq 6 – so schön die Studie war, so stilistisch fragwürdig das Serienmodell. Und wenn die E-Mobile von Škoda und Cupra durchwegs passen, die Kernmarke patzt: VW ID.3, ID.4, ID.5, allesamt bei mir durchgefallen. Erst der ID. Buzz macht Hoffnung. Doch selbst der aktuelle Golf hatscht bedenklich bei den Proportionen, vor allem beim Frontdesign – so etwas war bisher noch nie der Fall bei einem Golf.

Mercedes (Bild: EQS) zeigt, wie schwierig gutes Design in der E-Ära ist.
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An der Rückkehr des ästhetischen Desasters beteiligen sich weiters der Citroën C4 mit dieser merkwürdigen Lichtgrafik, es ist Design für zwei Autos drin, dabei hatten die in der Generation davor so eine schlüssige Formensprache gefunden. Als Einzelbeispiel, weil sonst ja alles stimmt bei deren Design, erwähne ich den Suzuki Ignis, und zwar nur dessen Heck, beim Kia Niro verschreckt mich diese seltsame C-Säulen-Flanke, als hätten die vergessen, Klebefolie zu entfernen, und mit Nissan Juke, Ford Ecosport, Honda e (hübsche Studie, enttäuschendes Serienmodell), Mini Clubman, Mitsubishi Space Star schließe ich die Betrachtungen. Jetzt bist du dran, Christian ... (Andreas Stockinger, 13.4.2023)